Kulturkampf – eine Nachbetrachtung

In der Bundesrepublik finden in diesem Sommer so viele CSDs wie nie zuvor statt. Der 14. CSD in Pirna ist seit zwei Wochen Geschichte. Wir haben darüber an dieser Stelle berichtet. Die Aufregung im Netz und in der Gesellschaft ist jedoch immer noch nicht verebbt.

Und während die einen den CSD noch ernsthaft reflektieren und Schlussfolgerungen ziehen, machen die anderen mobil gegen alles, was als „fremd“ oder „queer“ oder „feministisch“ („genderwahnsinnig“), „volksfeindlich“, „links“ oder „antifaschistisch“ identifiziert wird.

Kampfplatz Selbstbestimmung

Was AfD, die Freien Sachsen, und weltwärts geschaut, Orban, Trump und Putin verbindet, ist das Manöver, sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung zum Kampfplatz zu machen, um von dort aus die demokratische Gesellschaft insgesamt anzugreifen.

Indem sie Queers, Feminist*innen, Migrantinnen und Migranten zu Sündenböcken aufbauen („Frühsexualisierung“, „großer Austausch“), sollen Rechte eingeschränkt und am Ende aufgehoben werden. Das scheint anschlussfähig bis weit in die konservative Gesellschaft hinein.

Dieser Kulturkampf wird geführt mit Mitteln der Polemik, der Hetze, der Drohung, der realen Gewalt und der Ignorierung von Gesetzen.

Am Beispiel von Migrantinnen und Migranten ist das schon jetzt reales politisches Handeln geworden. Durchgeführt von einer Regierung aus CDU und SPD, die sich ständig von rechten Netzwerken treiben lässt. Da wird gegen europäisches Recht verstoßen und gegen das verfassungsmäßig garantierte Recht auf Asyl. Möglich ist das nur durch den kulturell aufgebauten Popanz der Überfremdung, der medial ausgeschlachteten Gewalt, die von einzelnen Migranten ausgeht. Es wird ein Bild der übermächtigen Bedrohung aufgebaut, das von verunsicherten Menschen nur zu gern angenommen wird.

Wer jemals mit einer Frau in dunkler Kleidung und Kopftuch durch Pirna gegangen ist, der hat sehr deutlich gespürt, von wem die abfälligen Blicke, das Getuschel, die Bedrohung ausgehen.

Nein, wir wollen nicht zurück in die Zeit des Getuschels, des Anschwärzens, des Finger-Zeigens. Wir wollen keine Aufpasser mehr, die bewerten, ob eine Lebensweise richtig oder falsch ist. Und zurück zum CSD heißt das: Seit der Abschaffung des Paragrafen 175 im Jahre 1994 und der Ehe für alle 2017 ist diese Gesellschaft freier, selbstbestimmter und glücklicher geworden. Das darf gefeiert werden.

Wenn aber im politischen Handeln Gesetze missachtet (zu beobachten auch im Stadtrat von Pirna, siehe Einbahnstraßenregelung) werden, so ist das ein Angriff auf die demokratische Verfasstheit unseres Gemeinwesens. Dieses Gemeinwesen beruht darauf, dass Gesetze durch Mehrheiten beschlossen und durch sie Minderheiten geschützt werden. Wer beschlossene Gesetze einfach ignoriert und nach Gutdünken handelt, riskiert ein anderes, ein autoritäres Staatswesen.

Der Einsatz der Polizei

Der CSD in Pirna wurde von einer erheblichen Anzahl von Polizistinnen und Polizisten geschützt. Das war auch nötig, hatten doch die Freien Sachsen zu einer Demonstration gegen das bunte Fest aufgerufen. An der Spitze der Freien Sachsen stehen vorbestrafte Gewalttäter. Ein prügelndes Brüderpaar, das kein Problem damit hat, andere Verkehrsteilnehmer krankenhausreif zu schlagen, weil es sich über deren Fahrweise ärgert. Angemeldet zur Demonstration gegen den CSD waren 100 Demonstranten, erwartet wurden deutlich mehr, am Ende waren es deutlich weniger.

Nun kann man über die hohe Anzahl der Polizist*innen und die Anwesenheit auch der Bundespolizei trefflich streiten.

Fakt ist, dass Vorsicht geboten ist, wenn gewaltbereite Demonstranten antreten, um eine Veranstaltung zu stören. Insofern war das Polizeiaufgebot sinnvoll. Natürlich werden in den einschlägigen Plattformen vor allem linke Demonstrierende unter Generalverdacht gestellt. Das miese alte Hufeisen sollte eigentlich endlich ausgedient haben. Wer sich informieren will, kann gerne die Statistiken bemühen, die eine klare Sprache über die hohe Anzahl rechtextremer Gewaltdelikte sprechen. 

Der CSD in Pirna verlief friedlich, auch dank der Polizei.

Eigentlich könnte ich an dieser Stelle noch über das Kürzel ACAB schreiben, das Jette Nietzard, Bundessprecherin der Grünen Jugend auf ihrem Pullover trug. Eine differenzierte Betrachtung ohne Plattitüden soll ein andermal geschehen. Für den CSD in Pirna galt jedenfalls: acab – all colors are beautiful.

 

Bärbel Falke