Die heile Welt der AfD

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Die AfD legt ein blaues Heftchen vor mit dem Titel: „Die AfD kann Pirna“. Sie bemüht Aristoteles und Albert Einstein, will einen blauen Faden für einen „konstruktiven und anspruchsvollen Weg“ in die Zukunft ziehen und hat viele Träume und Wünsche.

Der finanzielle Wunschtraum

Das gesamte Programm ist durchzogen von Forderungen und Wünschen nach finanziellen Zuwendungen „von oben“. Da werden Steuern von „oben“ nach „unten“ gefordert, Zuweisungen und Fördergelder. Es sind immer die anderen, die das Geld beschaffen sollen. Woher es kommen soll? Natürlich vom Bund! Die Regierung in Berlin wird auf jeder AfD-Kundgebung verächtlich gemacht, aber ihre Förderprogramme sind hochwillkommen. Mit dem Geld will die AfD am liebsten bauen. Hier eine Auswahl:

  • Einen neuen Bahnhof
  • Neue Parkhäuser
  • Eine Kombination aus Parkhaus und Kulturstätte am Busbahnhof
  • Eine neue Dreifeldhalle
  • Einen Sportboothafen und Kreuzfahrtanleger
  • Eine Tiefgarage unter dem Marktplatz

Wie geht es Ihnen, wenn Sie das lesen? Ein Stein gewordener Autofahrertraum soll unsere Stadt werden? Und mit der „Brötchentaste“ bis vor die Bäckertür? Herrlich! Wirklich?

Kein Wunsch, sondern Realität: Demokratieverachtung von Seiten der AfD

Herr Herath schreibt, dass er aus seiner Arbeit wisse, „wie wichtig Bürgerbeteiligung für eine lebendige Kommune ist – als Bestätigung für unser Handeln (sic!) als auch in Form neuer Anregungen für zukünftige Projekte.“

Warum sollen dann gerade Demokratieprojekte aus der Förderung ausgenommen werden? Hat die AfD nicht verstanden, was Demokratie bedeutet, nämlich Bürgerbeteiligung, mitreden, mitmachen. Oder geht es in der Tat nur um „Bestätigung für unser Handeln“?

Auch der erfolgreich durchgeführte Bürgerrat (BR) wird von der AfD nur verächtlich gemacht. Während sonst jede Förderung willkommen ist, wird hier Geldverschwendung beklagt. Dabei handelt es sich um ein erfolgreiches Mitmachforum der Bürgerinnen und Bürger von Pirna, an dem die Stadtkasse nur mit 10 % der Kosten beteiligt war. Die AfD Pirna redet von „Doppelstrukturen“ und nennt den BR „überflüssig“, obwohl die Bürgerrät*innen bei der Vorstellung begeistert von ihrer Arbeit berichtet haben. Konnte die AfD leider nicht hören, denn ihre Vertreter fehlten unentschuldigt. Die Ergebnisse, die doch „Anregungen für zukünftige Projekte“ bedeuten könnten, dürfen nach dem Wunsch der AfD im Stadtrat nicht vorgestellt werden. Ist etwa die Zusammensetzung des BR der AfD ein Dorn im Auge? Anders als bei der Mannschaft der AfD für den Stadtrat (15 mittelalte und ältere Herren und 2 Frauen) war der BR paritätisch zusammengesetzt und hat damit wirklich mal die Bevölkerung von Pirna abgebildet, per Auftrag des Stadtrats repräsentiert.

Der Traum vom normalen Bürger (keine Bürgerin weit und breit zu sehen)

Wer das sein soll, wird von der AfD natürlich nie ausbuchstabiert, aber ab und zu wird es deutlich. Im Programm ist die Rede von der „Aktion 40+“. Gemeint ist die anzupeilende Einwohnerzahl von 40.000 Einwohner/innen. Aber bitte nur den „normalen Zuzug“, „ohne temporäre statistische Effekte“, ohne „Zwangsunterbringungen“, doch unbedingt mit „Steuereinnahmen und Zuweisungen“.

Ganz davon abgesehen, dass hier etwas deutlich wird, was der Soziologe Heitmeyer „rohe Bürgerlichkeit“ nennt (nach außen eine bürgerliche Fassade und dahinter wird nach unten getreten), also das Fehlen jeglicher Solidarität für Menschen in Not. Was auch klar wird, ist auch eine Einfalt, die glaubt, dass die Menschheit im Großen und Pirna im Kleinen auskommen kann ohne die ideelle, ökonomische, spirituelle und ganz allgemein menschliche Unterstützung von außen. Der Grieche Aristoteles und der Jude Albert Einstein, der im Laufe seines Lebens Deutscher, Schweizer, Österreicher, Amerikaner und einige Jahre auch staatenlos war, wären der Pirnaer AfD auf keinen Fall willkommen gewesen. Wünscht sich doch der neue OB, im Wahlkampf gefragt nach seinen Visionen für Pirna, dass in 10 Jahren auf dem Marktplatz vor allem Sächsisch gesprochen wird. Das war übrigens seine einzige Vision, die er während des Wahlkampfforums im Tom-Pauls-Theater hatte.

Die Verdrängung der Klimakrise

Hier befindet sich die AfD endgültig im Lande der Legenden und Mythen. Man kann es auch Ideologie nennen. Die erneuerbaren Energien liefern im Bundesdurchschnitt schon jetzt 60 % des Stromes. Mit der ewigen Leier, dass der Wind nicht immer weht und die Sonne nicht immer scheint, muss man sich im Zeitalter von deutschlandweiten und europäischen Verbundsystemen doch wahrlich nicht mehr auseinandersetzen. Diese Energien sind sicher, günstig und klimafreundlich. Für die AfD sind sie „technologiefeindlich“. Windkraft erzeugt „Flatterstrom“. Darauf muss man erst einmal kommen! Und natürlich wird, wie schon kurz nach dem Ausfall der Gaslieferungen aus Russland, die „zunehmende Versorgungsunsicherheit“ als Teufel an die Wand gemalt. Angstmache geht immer. Sie ist das Spezialgebiet der AfD.

Damit in Pirna auch wirklich möglichst niemand mehr ernsthaft über die „Energiewende“ nachdenkt, soll der Klimaschutzmanager abgeschafft werden. Da sind die Bürgerinnen und Bürger der Stadt viel weiter. Bei jedem Spaziergang durch die Stadt kann man neue Solaranlagen auf den Dächern und Wärmepumpen an den Hauswänden entdecken.

Auch die Stadtverwaltung und die Stadtwerke sind tatsächlich schon Lichtjahre weiter und haben die AfD mit ihrer Ideologie von den „technologiefeindlichen“, erneuerbaren Energien hinter sich gelassen. Und dank neuem EEG und dem Solarpaket 1, die die Ampel-Regierung zusammen mit Bundestag bzw. Bundesrat beschlossen haben, geht alles leichter und bringt zukünftig viel Geld in die Stadtkasse. Mit der Unterzeichnung des Vertrages zur finanziellen Beteiligung der Stadt Pirna an der PV-Freiflächenanlage Pratzschwitz werden der Stadt in den nächsten 20 Jahren ca. 600.000 EUR zusätzlich zur Verfügung stehen. Dieses Geld, das die Erneuerbaren in die Stadtkasse spülen, wird natürlich gerne (ganz ideologiefrei) angenommen – alle AfD-Vertreter einschließlich OB Lochner haben im Strategie- und Finanzausschuss am 16.04.24 schon mal dafür gestimmt. DIE LINKE wird im Stadtrat (14.05.24) den Antrag stellen, das Geld (15.000 EUR in 2024) für ein Bürgerbudget zur Verfügung zu stellen. Wir werden die Abstimmung beobachten.

Die soziale Schieflage

Soziale Projekte, nämlich solche, die Wohnungslosen, Alleinerziehenden oder armen Familien helfen, die Geflüchteten die Eingliederung erleichtern, sucht man in der blauen Broschüre vergeblich. Wie wäre es z. B. mit einer finanziellen Zuwendung für das Frauen- und Kinderschutzhaus in Pirna? Hier ist die AfD nicht nur völlig blank, sondern sorgt, wie man an ihrem Abstimmungsverhalten im Bund sieht, ausschließlich für die Reichen und Einkommensstarken. Hier ein Auszug:

–   5,5 Mrd. für den sozialen Wohnungsbau?  Abgelehnt.

–   Besserer Schutz für Paketbot/innen durch Nachunternehmerhaftung?   Abgelehnt.

–   25 Mrd. Euro Überbrückungshilfen bei Corona-bedingten Umsatzausfällen?  Abgelehnt.

–   Höhere Freibeträge für Alleinerziehende?  Abgelehnt.

–   Einmaliger Kinderbonus von € 300,- je Kind?  Abgelehnt.

–   Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie?  Abgelehnt.

–   2 Mrd. Euro für mehr Ganztagsbetreuung?  Abgelehnt.

–   Grundrente für rund 1,3 Mio. Rentner/innen, ohne Gang auf das Amt?   Abgelehnt.

–   Mindestvergütung für Auszubildende?   Abgelehnt.

–  5,5 Mrd. Euro für bessere Betreuung in den Kindertagesstätten     Abgelehnt.

–   Höhere Erwerbsminderungs-, Erziehungs- und Hinterbliebenenrenten durch verlängerte Zurechnungszeiten?     Abgelehnt.

 –   Neue Chancen für Langzeitarbeitslose durch Lohnzuschüsse?   Abgelehnt.

–   Entlastung von Geringverdiener/innen durch reduzierte Sozialversicherungsbeiträge?   Abgelehnt.

Klientel-Politik – die traurige Wahrheit der AfD

Dem ist nur wenig hinzuzufügen. Die AfD kann nicht Pirna, sie kann nur Klientel-Politik. Und zu ihrer „Kundschaft“, für die sie Politik macht, gehören nicht die mittleren und die in finanziell prekären Verhältnissen lebenden Teile der Bevölkerung, die Menschen, die mit Sorgen auf ihre Zukunft schauen. Sie negiert die Veränderungen in der Welt, ruft ständig nach frischem Geld und will mit ihrer Sicherheits- und Ordnungspolitik punkten. Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit sind uns auch wichtig. Aber entscheidender und wichtiger ist uns eine Stadtgesellschaft, in der die Menschen aufeinander Acht geben, solidarisch sind mit den Schwachen und möglichst alle Einwohner/innen eine Stimme haben, die wirklich Gehör findet.

 

Bärbel Falke