Neues aus dem Stadtrat Mai/ Juni 2024

Als Stadträtin von Bündnis90/ Die Grünen möchte ich über diesen Verteiler hin und wieder darüber informieren, was im Stadtrat los ist, und was mich bewegt.

Der neue Oberbürgermeister

Seit Tim Lochner Oberbürgermeister von Pirna ist, ist man gespannt, wie er sein Amt ausfüllt. Es wird beobachtet, berichtet, vermutet und es werden erste Erfahrungen gesammelt. Die Bilanz seiner Tätigkeit in den ersten 100 Tagen fällt eher bescheiden aus. http://(https://www.saechsische.de/pirna/so-sieht-die-100-tage-bilanz-von-pirnas-oberbuergermeister-aus-6008089-plus.html)

Mein erster vorsichtiger persönlicher Eindruck: Es sind seltsame Zeiten in Pirna, und in mir keimen Zweifel, ob die Demokratie nicht nur bedroht, sondern inzwischen bereits am Bröckeln ist.

Diese Ereignisse nähren meine Zweifel:

1. Der Verkehrsversuch

Mit der Novellierung der StVO durch das Bundesverkehrsministerium und der Zustimmung der Länder im Jahr 2000 (StVO-Novellierung, die zum 01.01.2001 in Kraft trat) dürfen geeignete Einbahnstraßen in Gegenrichtung für Radfahrer geöffnet werden. Der aktuelle Verkehrsentwicklungsplan für Pirna wurde mehrheitlich im Stadtrat beschlossen: der Radverkehr soll demnach mehr Beachtung finden. Der Verkehrsversuch, die Gartenstraße für Fahrräder in beide Richtungen zu öffnen, ist eine logische Schlussfolgerung aus beiden Grundlagen, und kann von der Stadtverwaltung ohne Ratsbeschluss umgesetzt werden. So war es geplant, und der Stadtrat wurde darüber informiert. Herr Lochner hat den Versuch zurückgenommen. Das ist gegen die demokratische Mehrheit und verkehrspolitisch rückwärts gewandt. Aber es liegt rechtlich in seinem Kompetenzbereich.

2. Das doppelte Lottchen

Tim Lochner ist Oberbürgermeister der Stadt Pirna. Dieses Amt übt er aus. Auf der Kandidatenliste der AfD ist er jedoch zusätzlich als Kandidat für den Stadtrat zu finden. Falls er gewählt wird, wird er das Mandat nicht antreten können, weil er ja OB ist. Das ist in Sachsen formal rechtlich möglich, aber meines Erachtens schlicht Stimmenfang.

3. Die Feier zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes

Im März hatten CDU, B90Grüne/SPD und LINKE gemeinsam einen Antrag gestellt. Wir beauftragten den Oberbürgermeister, zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes eine Festveranstaltung für Bürgerinnen und Bürger zu veranstalten. Die Ratsmehrheit hat dem Antrag in der Ratssitzung am 14.05.24 zugestimmt. Eine Festveranstaltung hat es jedoch zunächst nicht gegeben. Der OB fuhr in den Urlaub, der große Ratssaal stand nicht zur Verfügung. Das ist ein sehr fragwürdiges Verhalten, denn die Beschlüsse des Stadtrates sind für den OB und seine Verwaltung bindend.

So haben die o. g. Stadtratsfraktionen gestern (04.06.24) in der Marienkirche unter großer Anteilnahme der Stadtbevölkerung eine sehr würdige Veranstaltung zur Feier unserer demokratischen Grundordnung ohne den OB organisiert und durchgeführt.

4. Unwürdiges Schauspiel im Stadtrat

Am 14.05.24 gab es im Stadtrat wie immer die Möglichkeit, Anfragen zu stellen. Wieder hat Herr Herath, Fraktionsvorsitzender der AfD dies genutzt, um andere Fraktionen in unanständiger Weise zu beleidigen.

Meines Erachtens hätte es dem OB als Leiter der Sitzung angestanden, hier einen Ordnungsruf zu erteilen. Hat er nicht.

In Gesprächen in der Stadt höre ich manchmal die Meinung, man solle erst einmal abwarten, Herrn Lochner machen lassen, und ich wäre ja nur gegen ihn. Ich bin nicht gegen Herrn Lochner in seiner Person, und ich respektiere, dass und wie er in das Amt als OB gekommen ist. Aber ich bin für die Einhaltung demokratischer Grundregeln und für Anstand im Stadtrat, und um beides mache mir Sorgen. Und ich bleibe offen, zu einer anderen Überzeugung zu kommen.

5. Bürgerbeteiligung

Im Januar diesen Jahres hat der Bürgerrat seine Ergebnisse zur Gestaltung des Marktplatzes dem Stadtrat übergeben. Seitdem warten seine Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf eine Antwort des Stadtrates, welche der Vorschläge aus dem Bürgergutachten zur Umsetzung oder zur Ablehnung kommen sollen. Der Antrag unserer Fraktion, es im Stadtrat zu diskutieren, fand keine Mehrheit. Dem Antrag der AfD, es in den Ausschuss zu verlegen, stimmte die Mehrheit der Stadträtinnen und Räte zu. Auf der Tagesordnung ist es dort immer noch nicht gewesen. Wann bekommt der Bürgerrat, bekommen die Bürgerinnen und Bürger von Pirna endlich eine Antwort? Wir werden bei dem Thema nicht lockerlassen.

6. Antidiskriminierungsklausel

Das Herdergymnasium trägt das Label „Schule gegen Rassismus – Schule mit Courage“.

Die zum Gymnasium gehörige Mehrzweckhalle ist sowohl Sporthalle als auch öffentlicher Veranstaltungsraum. Als Fraktion setzten wir uns dafür ein, in die Verträge zur Nutzung der Halle den folgenden Passus aufnehmen. „Für alle Veranstaltungen gilt die Antidiskriminierungsklausel, die seitens des Veranstalters/ Nutzers zu befolgen ist: Der Stadt Pirna ist ein respektvolles und diskriminierungsfreies Miteinander wichtig. Jeder Mieter und Veranstalter hat dafür Sorge zu tragen, dass rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen sowie Störungen oder Beleidigungen unterbleiben. Eine Nichtbeachtung führt zum Ausschluss weiterer Nutzung. Das betrifft auch ein nachträgliches bekannt werden.“

Die Verwaltung brachte ihrerseits den an das Grundgesetz angelehnten Vorschlag ein: „Der Mieter bekennt sich dazu, dass im Rahmen seiner Nutzung niemand aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verächtlich gemacht, beleidigt oder benachteiligt wird. Sollte durch Teilnehmende der Veranstaltung gegen vorgenannte Bestimmungen verstoßen werden, hat der Mieter für die Unterbindung der Handlung Sorge zu tragen, ggf. unter Anwendung des Hausrechts.“

Nach heftiger Diskussion fand dieser Vorschlag große Mehrheit. Es ist eine deutliche Abflachung unserer Intention.

Es gibt auch gute Nachrichten

1. Die Grundschule Sonnenstein

Es gibt erste beeindruckende, umfangreich Planungen zu dem großen Vorhaben der Sanierung der Grundschule Sonnenstein. Hier sollen der Hort und das Soziokulturelle Zentrum in Anlehnung an das „Nachhaltige integrierte Stadtentwicklungskonzept EFRE“ mit in das Gebäude integriert werden. Was für eine schöne Vorstellung, wenn sich dort Kinder so wohl fühlen können wie in der aufwändig und frisch sanierten Schule mit Hort am Friedenspark.

2. Klimaschutz

Die vielen Vorhaben im Bereich des Klimaschutzes wurden seitens der Stadtverwaltung mit Prioritäten versehen und in dem „Energiepolitisches Arbeitsprogramm zum European Energie Award 2024 – 2028“ aufgelistet. Ein guter und ambitionierter Plan, der unsere Grüne Unterstützung hat, aber mit 11 Stimmen nur eine knappe Mehrheit fand. Gegenstimmen kamen von der AfD, Enthaltungen von den Freien Wählern.

3. Das Bürgerbudget

Im Stadtrat am 14.05.24 stimmte die Mehrheit der Rätinnen und Räte einem Antrag der Linken auf ein Bürgerbudget zu. Ein Startkapital von 15.000 € wird zunächst in dieses Budget fließen – Geld über dessen Verwendung die Bürger und Bürgerinnen der Stadt entscheiden werden, wenn das Verfahren dazu entwickelt ist. Das Geld stammt aus der Beteiligung der Stadt Pirna am Ertrag der „Solarpark an der Elbe Pirna Betriebs GmbH“. Mit diesen Erträgen ist es für die Stadt Pirna über die nächsten 20 Jahre möglich, ein Bürgerbudget einzurichten und mittel- bis langfristig finanziell abzusichern. Das Bürgerbudget ist eine weitere Form der direkten Bürgerbeteiligung.

 

Maria Giesing

Stadträtin B90/Die Grünen

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