Weder wirtschaftlich klug, noch demokratisch, noch frei von Ideologie

Am 24.09. tagte der Stadtrat zum zweiten Mal in der jetzigen Legislatur. Zu Beginn hatte jede Fraktion die Gelegenheit, ein grundsätzliches Statement vorzutragen.

Das Statement unserer Fraktion

Das Statement unserer Fraktion (SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, die LINKE), vorgetragen von Maria Giesing, unserer Grünen Stadträtin finden Sie hier.

Wie im Stadtrat zukünftig gearbeitet werden soll, kann man unschwer am Bericht des Herr Böhmer, FW, erkennen. Er benutzt in seinem Bericht zur Ratssitzung Zitate, die es im Statement von Maria Giesing nicht gibt. Was braucht es Fakten, wenn man eine Meinung und ein klares Feindbild hat!

Die „Evaluation“ des Bürgerrates

Gleiches gilt für den Bürgerrat, dessen Evaluation auf der TO der Ratssitzung stand.

Zur Erinnerung:

Die Fraktion von BÜNDNID 90/ DIE GRÜNEN und SPD hatte 2022 den Antrag zur Schaffung eines Bürgerrates in den Stadtrat eingebracht. Das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung hatte Fördergelder bereitgestellt. In der Stadtratssitzung vom März 2022 beschloss der SR mit 14 Stimmen (5 Gegenstimmen) die Einsetzung eines Bürgerrates.

Ein Mitglied der Fraktion der Freien Wähler führte damals dazu aus:

„…dass auch die Fraktion FW – WfP den Antrag begrüßt, da er den Fokus auf die Themen Demokratie und Transparenz setzt. Es soll allen eine Plattform geboten werden, welche diese für die Beantwortung ihre Fragen benötigen. Die Fraktion sieht den Bürgerrat als Chance, die Sicht und die Empfehlungen der Bürgerinnen und Bürger an den Stadtrat heranzutragen und die Sachverhalte besser begleiten zu können. Neue Strukturen sollten genutzt werden, um aus alten auszubrechen. Eventuell sei das Konzept der Beiräte veraltet. Es sollte versucht werden, Leute auf neuen Wegen für Politik zu begeistern. Ggf. können so auch Personen für den Stadtrat geworben werden. Die Probephase sei als Experiment zu sehen. Sollte dieses nicht gelingen, ist das auch eine Erfahrung mehr.“

Aber im September 2024 „weht ein anderer Wind im Rathaus“, wie Herr Böhmer (FW) im Nachgang treffend bemerkt. Die FW haben ihr Mäntelchen ganz schnell in diesen Wind gehängt und sind eine „Koalition“ mit der AfD eingegangen. Natürlich ist nun ganz unideologisch auch der Bürgerrat abzulehnen. Begründung: Die hohen Kosten, der „Teilnehmerschwund“ zur zweiten Präsenzveranstaltung, und es gäbe ja genug andere Möglichkeiten, die Bevölkerung einzubinden. Gehen wir diesen Argumenten nach:

Die anderen Beteiligungsmöglichkeiten

Das Argument weiterer Beteiligungsmöglichkeiten wird von der „Koalition“ zwar immer wieder angeführt, aber nie konkretisiert. In der Ratssitzung am 24.09. verstieg man sich zu der Aussage, die Bürger könnten ja auch ins Rathaus kommen und dem Rat zusehen. Als Informationsmöglichkeit mag das gerade noch passen, als Beteiligungsmöglichkeit ist dieses Angebot absurd.

Die Kosten

Die Kosten waren in der Tat hoch (79530,32€). Maria Giesing stellte im Stadtrat den Vergleich mit einer Anschubfinanzierung, einer Investition, bei einem neuen Prototyp, z. B. einem Auto her. Das Geld ist erst dann versenkt, wenn auf die modellhafte Erprobung keine „Serienproduktion“ erfolgt, wenn daraus keine weitere, praxistaugliche Anwendung erfolgt. Dann hat man aus dem Geld nichts gemacht, es wurde umsonst ausgegeben.

Genau das passiert in Pirna. Auch wenn im Evaluationsbericht der Stadtverwaltung genau das Gegenteil steht: „Der Bürgerrat als Form der partizipativen Demokratie hat das Potential, die repräsentative Demokratie sinnvoll zu ergänzen. Er fördert die kooperative und konstruktive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger auf kommunaler, Bundes- und Landesebene, insbesondere, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Dazu gehören eine enge Anbindung an die Politik, eine vielfältige Zusammensetzung der Teilnehmenden durch Losverfahren, die Einbindung durch Expertenwissen und die Sicherstellung einer transparenten Kommunikation. Eine inklusive, strukturierende und kompetente Moderation ist ebenso entscheidend für den Erfolg eines Bürgerrates. Darüber hinaus wird die Schaffung dauerhafter Strukturen für die Durchführung von Bürgerbeteiligungen vorgeschlagen, um Kontinuität und Professionalität zu gewährleisten.“ 

Kontinuität und Professionalität sind nicht vorgesehen in Pirna.

Der Teilnehmerschwund

Dieses Argument bezieht sich auf die abnehmende Zahl der Teilnehmenden in der zweiten Sitzung des Bürgerrates. In Verbindung muss man diesen Fakt mit der Kritik der Bürgerrät*innen, dass die Anzahl der Sitzungen und das genaue Datum der zweiten Sitzung vorab nicht bekannt waren. Das ist in der Tat ein Problem und eine Kollision mit anderen Terminen der Teilnehmenden vorprogrammiert. Solch eine Kollision könnte bei einem weiteren Bürgerrat mit einer langfristigen Planung und rechtzeitigen Bekanntgabe der Termine leicht behoben werden. Will man den BR aus rein ideologischen Gründen jedoch verhindern, kommt dieses Argument natürlich gerade recht. Da interessieren auch die Einschätzungen der Bürgerrät*innen nicht, die ausnahmslos Begeisterung und Dankbarkeit ausdrücken, Teil des BR gewesen zu sein (s. Evaluationsbericht)

Fazit

Der Kern einer Demokratie besteht im Mitreden und Mitmachen. Was von AfD und FW in Pirna im Moment vorgelebt wird, ist genau das Gegenteil. Sie verstehen sich als „Macher“, die Pirna „voranbringen“ wollen. Bürgerinnen und Bürger der Stadt scheinen da nur zu stören. Das ist keine „Mitmachdemokratie“, sondern eine „Einforderungsdemokratie“ (Steffen Mau). Man fordert vom Bund, von der Ampel, von denen da oben, was das Zeug hält. Das ist billig. Die Schuldigen sind immer andere, vorzugsweise die Grünen. Das Beispiel „Bürgerrat“ zeigt, dass das weder wirtschaftlich kluge, noch demokratische, noch „unideologische“ Stadtpolitik ist.

Bärbel Falke