Rückblick und Blick nach vorn 2021 -2022

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Veränderung schafft Halt

Das Jahr 2021 stellt eine Zäsur in der Geschichte von Bündnis 90 / Die Grünen dar. Zum ersten Mal haben wir eine Kanzlerkandidatin gestellt und bei einer Bundestagswahl 14,8% der Stimmen erhalten. Das bedeutet bundes- und landesweit fast eine Verdoppelung der Stimmanteile und absoluten Wählerstimmen. Das passende Narrativ könnte von einem Sieg oder einer Niederlage berichten, denn es wäre noch mehr möglich gewesen. In den vielen Orten, wo wir im Wahlkampf auf den Marktplätzen standen, ist uns beides begegnet. Die Menschen haben sich gefreut, dass wir da waren, oder haben uns wegen der vielen handwerklichen Fehler im Wahlkampf beschimpft, die uns Stimmen kosteten.

Die Wahlkampfstrategie bzw. das Ergebnis müssen analysiert werden, damit wir 2024 (EU, Landtags-, Kommunalwahlen) noch erfolgreicher sind. Erreichen konnten wir fünf Grün geführte Ministerien mit Schwerpunkten im nationalen sowie globalen Umwelt- und Klimaschutz, den Transformationen in Industrie und Landwirtschaft sowie ein Familienministerium, das sich dem gesellschaftlichen Ausgleich und der Gerechtigkeit verpflichtet fühlt. Oft ist bemängelt worden, dass sich die Grüne Handschrift an vielen Punkten, z. B. Verkehr, Überwindung von Hartz IV, Veto – Recht eines Klimaministeriums, nicht durchsetzen konnte. Wenn man allerdings nicht völlig realitätsfern argumentiert, ist das zwar bitter, kann aber bei 14,8% Wählerstimmen nicht anders sein. Es wird in den nächsten Jahren auf kluge Verhandler*innen in den Ministerien ankommen und auf uns an der Basis, die gesellschaftliche Forderungen verstärkt

Grüne in Pirna

Finanziert vom Stadtverband Bündnis 90 / Die Grünen konnte erneut ein Baum gepflanzt werden: nach der Flatterulme in der Elbaue eine schöne Stechpalme, Baum des Jahres 2020 im Stadtzentrum. Parallel dazu haben unsere Stadträt*innen versucht, Einfluss auf die neue Gehölzschutzschutzsatzung der Stadt zu nehmen. Hier haben jedoch am Ende finanzielle Zwänge eine in die Zukunft gerichtete Lösung verhindert.

Ratsmitglied Sebastian Gilbert, der gleichzeitig Verbandsrat im Zweckverband IPO ist, konnte gemeinsam mit der Bürgervereinigung Dohna und einer Rechtsanwaltskanzlei erzwingen, dass künftige Haushaltsplanungen transparenter sein und die Rät*innen der beteiligten Städte stärker beteiligt werden müssen, unseres Erachtens ein nachhaltiger Erfolg.

Um die Bürgerbeteiligung zu stärken, hat unsere Fraktion unter der Federführung von Maria Giesing den Antrag zur Einrichtung eines Bürgerrates eingebracht. Demokratie lebt vom Vertrauen der Bürger*innen in die parlamentarischen Entscheidungsprozesse, aber auch vom Zutrauen der Räte in die Kompetenzen von Bürger*innen. Der repräsentativ zusammengesetzte und autonom tagende Bürgerrat kann zur sachorientierten Lösungsfindung auch bei komplizierten und konfliktreichen Themen beitragen. So wird die parlamentarische Demokratie durch die Bürgerinnen und Bürger vor Ort unterstützt.

Ein Stopp gegen Abschiebungen integrierter Geflüchteter

Eingemischt haben wir uns auch, als in einer unsäglichen Nacht- und Nebelaktion die Familie Imerlishvili mit 7 Kindern nach Georgien abgeschoben wurde. Gemeinsam mit den Nachbar*innen und vielen demokratischen Akteuren in der Stadt haben wir so lange protestiert und unsere Stimme erhoben, bis das OVG in Bautzen auch juristisch die Unrechtmäßigkeit der Abschiebung feststellte und die Familie zurückkehren konnte.

„Zivilcourage auf Sächsisch“ titelten damals überregionale Zeitungen.

Vielfalt in Pirna

Den CSD unterstützten wir mit einer Podiumsdiskussion bei der Themenwoche, die auch in diesem Jahr Corona bedingt die große CSD Feier rund um das Rathaus ersetzen musste. Am 04.Juli konnten gemeinsam mit dem OB Hanke und der Grünen Justizministerin Katja Meier die Regenbogenfahne und die Transgenderfahne vor dem Rathaus gehisst werden.

Im September hat vor allem unser Grüner Direktkandidat Nino Hausstein in den Wahlkampfarenen und im Straßenwahlkampf alles gegeben, kräftig unterstützt Mitglieder aus dem Stadt- und dem Kreisverband SOE.

Erfreulich auch, dass es in diesem Jahr zum ersten Mal ein FFF in Pirna gab. Wir waren in Pirna und Dresden dabei.

Perspektiven im gesellschaftlichen Leben

Im Oktober gab es zwei Veranstaltungen, die von Grünen Mitgliedern mitverantwortet und getragen wurden: „Pirna im Gespräch“ und „Energiewende lokal“. Beide Veranstaltungen waren gut besucht und werden eine Fortsetzung erfahren.

Jetzt, am Ende des Jahres, hat Corona die Stadt wieder fest im Griff. Wieder einmal ziehen Menschen durch die Stadt, die „Spaziergänge machen“, vor Gewalt nicht zurückschrecken, eine Diktatur herbeireden und ihre eigene individuelle Freiheit zum Maßstab aller Dinge machen. Inzwischen kämpfen in den Krankenhäusern Ärzt*innen und Pflegekräfte bis zur Erschöpfung um das Leben derer, die sich infiziert haben.

Wir werden uns die Frage stellen müssen: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? „Der freiheitliche Staat muss auch den Eigensinn seiner Bürger respektieren,“ sagt der Grüne MP Kretschmann in B/W. Und er ergänzt: „Ohne Gebote und Verbote gibt es keine Zivilisation“. (1) Beides gehört zusammen: Die Freiheit und die Regeln, die ein demokratischer Staat sich gibt. So werden wir uns entscheiden müssen, ob wir uns um der wieder zu erlangenden Freiheit Willen zunächst einschränken und diese Notwendigkeit akzeptieren, oder ob wir wie die kleinen Kinder jetzt und sofort alles haben müssen, egal welches Leid dies nach sich zieht.

In einem Kommentar zur Petition „Ein Brief für Pirna“ schreibt der Sup. I. R. Klaus Kaden:

1989 haben wir unter dem Ruf: „Keine Gewalt“ eine Friedliche Revolution zum Ziel geführt. Gewalt ist die Waffe der Diktatoren. Demokratie ist stark durch Respekt, Toleranz und Nächstenliebe. Dafür lasst uns kämpfen.“

Dem ist nichts hinzuzufügen. Lasst uns im kommenden Jahr ein noch stärkeres Netzwerk spannen, um uns gemeinsam mit anderen demokratischen Kräften einzusetzen für eine freundliche, lebenswerte Stadt mit grünen Oasen, für Teilhabe aller Familien, für das Bleiberecht Geflüchteter, für eine breite Beteiligung der Bürger*innen an demokratischen Prozessen, für nachhaltiges Bauen und Wirtschaften, für Freiheit und Sicherheit.

Wir wünschen allen ein gesundes, sicheres, freies und friedliches Jahr 2022.

Dr. Bärbel Falke

 

  • „Den Eigensinn in die Schranken weisen“. Interview von Benno Stieber und Peter Unfried mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. In: TAZ vom 28.12.2021, S. 4f.