Nach dem 19. März

Eine Glosse von Dr. Stefan Thiel.

Es war zu lesen, dass ein Bürgermeister die Fassung verloren hatte.

Die Geschichte war so, dass man vor einiger Zeit gehört hatte, dass ganz seriöse Großinvestoren den Wohlstand nach Dohna, Heidenau und Pirna bringen wollten.

Ob man schon gehört hatte, dass es einen Mangel an Arbeitskräften gibt, der noch zunehmen wird, ist unbekannt.

Auf jeden Fall gilt doch schon immer, dass neue Arbeitsplätze die Lösung sind. So sehen es auch die brandneuen und ständig und hochaktuell und zeitnah ca. aller eineinhalb Jahrzehnte den Bedingungen angepasste  Förderrichtlinien.

Und weil es schöne Arbeitsplätze sein sollten, war der Ort, wo unser sächsischer König sich verlustiert hatte, doch sehr passend.

Und Wasser soll es dort ja auch genug geben. Zumindest manchmal. Und dann viel.

Zur Ökonomisierung der Arbeitsplätze kam die geneigte Lage gerade Recht. Auch ohne Förderbänder würden die Werkstücke gleich allein zum nächsten Arbeitsplatz rollen.

Dann hörte man von der kommenden Überalterung der Bevölkerung. Um die Rentenkassen zu entlasten, könnte man denselben doch ganz ökologisch die Frischluftzufuhr einschränken.

Und die Alten hören den  Lärm der Arbeitsplätze ohnehin nicht. Zumal man doch nicht immer alles glauben und die Hauptwindrichtung zumindest für Pirna infrage stellen sollte. Bei den andern beiden Kommunen weht der Wind natürlich aus anderer Richtung.

Die Frage, ob diese tolle Idee überhaupt realistisch sei, lies man nicht von einer Arbeitsgruppe, sondern von einem gestandenen Planungsbüro korrekt überprüfen.

Zur Wahrung der Kontinuität der Arbeit hatte man vorsorglich andernorts üblichen Schwachsinn, eine Weiterplanung bei positivem Ausgang der Machbarkeitsstudie auszuschließen, vermieden. Und da sich die Planer so schöne grüne Dächer ausgedacht hatten, wäre es doch zu dumm, ein anderes Büro mit der Umweltverträglichkeitssprüfung zu beauftragen.

Damit der Reichtum der Menschen und der drei Kommunen hier nicht zu groß werden sollte, hat man die anfangs den Stadt- und Gemeinderäten vorgelegten Investitionskosten von 90 Millionen Euro bei einer ggf. möglichen Fördersumme von 70 Millionen Euro leicht auf 140 Millionen Euro bei gleicher Fördersumme wachsen lassen. Und Wachstum ist ja immer gut.

Kann jemand verstehen, dass es Leute gibt, die Angst um ihre Heimat, um ihre Luft, um Hochwasser, um Lärm, um die Finanzen der Kommunen, um die Landschaft, um die Natur, um die Arbeitskräftenot der vorhandenen Wirtschaft haben? Dass diese Leute dann auch noch Fragen nach der Unabhängigkeit der Machbarkeitsstudie und den Interessenkonflikten bei der Umweltverträglichkeitsprüfung stellen, kann dann einen Bürgermeister verständlicherweise aus der Fassung bringen.