Femizide in Deutschland

Femizide, denken viele, das gibt es doch nur in Mexiko oder anderswo in der Welt. Dort, wo der Machismo die Gesellschaft grundiert. Weit gefehlt! Fast jeden Tag werden in Deutschland Frauen und Mädchen ermordet, weil sie Frauen und Mädchen sind. Dreihundertsechzig (360!) mal starben im letzten Jahr Frauen und Mädchen durch solche Femizide. Sie wurden von (Ex-) Partnern getötet, seltener von Fremden. Das geht hervor aus dem Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“. 

Die grauenvolle Spitze des Eisberges

Die Zahl der frauenfeindlichen Straftaten stieg im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um 56,3 Prozent an. Dazu gehören Sexualstraftaten, häusliche Gewalt, Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, digitale Gewalt und Morde an Frauen, weil sie Frauen sind, die o. g. Femizide. Die angezeigten Straftaten sind jedoch nur die Spitze des Eisberges. Viele Straftaten werden aus Scham, finanzieller oder emotionaler Abhängigkeit, Sorge um die Kinder, Angst vor noch größerer Gewalt, Nichtwissen um Unterstützungsmöglichkeiten oder deren fehlen, gar nicht erst angezeigt.

Die Hintergründe

Zu den Hintergründen schreibt der Lagebericht u. a.: „Eine Erklärung für den Ursprung dieser Gewalt und dem deutlichen Erstarken von einstellungsbezogener Hasskriminalität liegt in einer Ideologie der Ablehnung von Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der Geschlechter. Diese kann als Bedrohung traditioneller Rollenbilder aufgefasst werden, denn eine Emanzipation von Frauen kann eine Bedrohung der wahrgenommenen „natürlichen Ordnung“ darstellen.“

Wir wissen, dass im Netz besonders gegen weibliche Abgeordnete demokratischer Parteien gehetzt wird, dass traditionelle männliche Rollenbilder Konjunktur haben. Wir wissen, dass Abgeordnete  (auch in Pirna) Bewunderung für verurteilte Straftäter und Frauenverächter wie z. B. Trump kund tun. Das alles bleibt nicht ohne Folgen in der digitalen und analogen Welt. Sich überlagernde Krisen, die zum Druck auf die Familien führen, produzieren zusätzlich Gewalt gegen Frauen.

Hilfe organisieren, Hasskriminalität bekämpfen!

Es braucht die sensible Aufmerksamkeit aller, die Aufmerksamkeit von Lehrerinnen und Lehrern, von Nachbarinnen und Nachbarn, der Polizei.

Gleichstellungsministerin Katja Meier dazu:

Geschlechtsspezifische Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Sie geht uns alle an, weil sie die Grundfesten unserer Demokratie bedroht. Wo ich Angst um meine körperliche und seelische Unversehrtheit haben muss, ziehe ich mich zurück. Wir sehen an den rapide gestiegenen Zahlen politisch motivierter Straftaten gegenüber Frauen, dass hier eine perfide Taktik dahintersteckt. Darum dürfen wir nicht zulassen, dass das Klein- und Niedermachen von Frauen und Mädchen hoffähig wird. Vielmehr müssen wir den Betroffenen sexualisierter und häuslicher Gewalt zur Seite stehen.“

Die Grüne Ministerin fordert auch von der nächsten Regierung den weiteren Ausbau der Gewaltschutz- und Hilfsangebote. Das bisher von der FDP im Bund blockierte Gewalthilfegesetz muss jetzt verabschiedet werden, um diese Angebote zu sichern.

Es ist genug!

Am 28. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, lädt die Gleichstellungsbeauftrage der Stadt Pirna zu einer Kerzenaktion ein.

Ort: Vor der Stadtbibliothek Pirna, Dohnaische Straße 76

Zeit: 16:00 – 18:00 Uhr

Lasst uns gemeinsam ein Zeichen setzen gegen (häusliche) Gewalt gegen Frauen. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, sich über Unterstützungsmöglichkeiten in Pirna und Umgebung zu erkundigen. Es ist genug! Die Scham muss das Lager  wechseln. (s. auch Gisèle Pélicot im Vergewaltigungsprozess von Avignon)

 

Bärbel Falke