Kaiser Wilhelm II. konnte nicht glauben, dass das Zeitalter der Pferdestärken zu Ende geht. Er glaubte an das Pferd und hielt das Automobil für eine vorübergehende Erscheinung.
OB Lochner von Pirna kann nicht glauben, dass das Zeitalter der fossilen Mobilität zu Ende geht. Er glaubt an Diesel und Benziner und schafft Maßnahmen zur Förderung der E-Mobilität in Pirna ab.
Abschaffen, verhindern, rückgängig machen – zwei Beispiele für Pirnas Stadtpolitik in diesen Tagen.
Beispiel Elektromobilität
2020 beschloss der Stadtrat von Pirna (noch in der alten Zusammensetzung) ein Elektromobilitätskonzept. Das Konzept sah einen radikalen Schnitt vor bei der Dienstwagenflotte der Stadtverwaltung, der Stadtwerke und der anderen städtischen Tochtergesellschaften. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass die 60 – 70 Dienstfahrzeuge nicht vollständig ausgelastet waren. Also wurde eine Fusion der jeweiligen Fuhrparks beschlossen, und bei Neuanschaffung sollten es in Zukunft Elektromobile sein. So konnte der Wagenpark optimiert, die vorhandenen Autos besser ausgelastet und noch etwas für den Klimaschutz getan werden. Seitdem gibt es in Pirna ein Carsharing-Projekt. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Verwaltung können bei Dienstfahrten E-Mobile nutzen. Außerhalb der Dienstzeiten stehen diese Autos der Bevölkerung zur Verfügung.
Auch die Ladeinfrastruktur für E-Mobile wurde in Pirna stark erweitert. Während des Ladevorganges durften Elektrofahrzeuge kostenlos auf den dafür reservierten Parkflächen stehen. Am Elbeparkplatz wurde kostenloses Parken für Elektromobile eingerichtet. Pirna konnte deshalb 2022 mit dem „eku – Zukunftspreis 2022“ ausgezeichnet werden und gewann ein Preisgeld von 15.000 €.
Seit 2024 hat Pirna einen OB, der an fossile Mobilität glaubt. Die Mehrheiten im Stadtrat, die Fraktionen der AfD und der Freien Wähler, haben diesen Glauben ebenfalls. So soll jetzt das kostenlose Stehen neben den Ladesäulen während des Ladevorgangs, das kostenlose Stehen der Carsharing – Autos auf den dafür gekennzeichneten Stellflächen und das kostenlose Parken auf dem Elbeparkplatz abgeschafft werden.
Begründet wird das mit dem Gleichheitsgrundsatz und der Beteiligung aller an den Kosten für das Parken auf öffentlichem Grund und Boden. Was vielleicht vernünftig klingt, zeigt sich in ganz anderem Licht, wenn man z. B. die Ergebnisse der Ratssitzung vom September 2024 heranzieht. Hier sollten die Kosten für das jährliche Anwohnerparken auf öffentlichem Grund und Boden erhöht werden (bisher 30,- € !). Die Stadträte mehrerer Fraktionen, darunter auch unsere, warnten ansonsten vor Engpässen im Haushalt. AfD und FW lehnten das ab.
Bemerkenswert ist auch, dass Lochner Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke ist. Auf deren Homepage kann man folgendes lesen: „Elektromobilität ist sauber und schont die Umwelt. Unser gemeinsamer Beitrag für nachhaltigen Umweltschutz“. Und an anderer Stelle, die Carsharing – Angebote betreffend: „Blockierentgelt je 15 min: 0,00 €“. Die Änderung dieses Angebotes würde also dem Geschäftsmodell der Stadtwerke schaden, die den Strom, der u. a. in den Solarfeldern am Elbufer „geerntet“ wird, ja verkaufen wollen. Ein seltener Fall, dass ein Aufsichtsratsvorsitzender aus ideologischen Gründen dem Unternehmen schaden will, dessen Aufsichtsrat er vorsteht. Dass die AfD der Wirtschaft insgesamt schadet, ist jedoch schon länger bekannt.
Die Lenkungswirkung einer solchen Entscheidung wird sehr deutlich. Innenstadtbewohner, die auf das Carsharing oder das Laden des eigenen Elektromobils an den Ladesäulen der Stadtwerke angewiesen sind, sollen sich das gut überlegen. Die Reduzierung klimaschädlicher Emissionen in unserer Stadt soll keine Rolle mehr spielen. Das Stadtklima darf durch die schiere Masse der mit fossilen Treibstoffen betriebenen Autos gerne belastet werden. Ja, wenn man an das Auto glaubt (außer, es ist ein E-Auto).
Beispiel Baumschutz
2021 wurde die Stadt Pirna mit dem Energy Award in Gold für ihre erfolgreiche Energie- und Klimaschutzarbeit ausgezeichnet. Die Stadt hatte eine Klimaanpassungsstrategie erarbeitet und konnte die kommunale Energie- und CO2- Bilanzierung weiter fortschreiben. Und heute?
Auf der Tagesordnung der Sitzung des Stadtrates am 25.03.25 steht der Punkt: Änderung der Baumschutzsatzung. Eingebracht wurde er von den Faktionen der AfD, der FW und Stadtrat Kurth. Der Punkt beinhaltet einen wesentlich verschlechterten Schutz der Bäume im Stadtbereich der Großen Kreisstadt. Nicht nur, dass jetzt für alle Nadelbäume, viele Sorten Obstbäume, Pappeln und Weiden der Schutz vor Fällung ganz wegfällt. Es dürfen auch ältere Laubbäume bis zu einem Stammunfang von 100 cm gefällt werden. Die Verpflichtung von Ersatzpflanzungen auf Privatgrundstücken entfällt. Die Genehmigungspflicht für das Fällen von Bäumen, die auf diesen Grundstücken unter Schutz stehen, wird abgeschafft. Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt.
Das Vorhaben, das mit dem Abbau bürokratischer Hürden begründet wird, zeugt von erstaunlicher Ahnungslosigkeit. Zum einen wird durch die Stadtverwaltung überzeugend argumentiert, dass die kostenlose Beratung bisher gern angenommen wurde und schnell erfolgte. Zum anderen dürfen in Zukunft auch Bäume gefällt werden, die im Winter immergrün sind und deshalb CO2 speichern, wenn Laubbäume das nicht können. Es sollen alte Bäume gefällt werden dürfen, die soviel Schatten spenden, soviel CO2 speichern, so vielen Kleinstlebewesen Unterschlupf bieten, wie es junge Bäume niemals können. In einer Zeit, in der unser Wald so kaputt ist, dass er fast kein CO2 mehr speichern kann, sondern stattdessen zur Quelle für das klimaschädliche Gas wird, stellt das Aufweichen von Schutzkriterien eine echte Bedrohung dar. Aber das ist den o. g. Fraktionen und dem Stadtrat Kurth wurscht. Obwohl den Freiheitsinteressen Einzelner, die z.B. bauen oder einfach nur abholzen wollen, hier die Freiheitsrechte der Allgemeinheit gegenüber stehen.
Gegen „Baum-ab“ stimmt Bündnis 90 / Die Grünen ganz klar mit einem „NEIN“ und fordert dazu auf, diesen Unsinn zu stoppen und zukünftigen Generationen nicht eine schwere Lebenshypothek aufzulegen.
Fazit
Auch wenn Klimaschutz in den weiter geförderten Projekten hoffentlich eine Rolle spielt. Die Stadt hat hier den Rückwärtsgang eingelegt.
Wenn all die beschriebenen Maßnahmen greifen, würde die Stadt Pirna dazu beitragen,
- dass die natürliche CO2-Senke, die u. a. von Bäumen neben Wiesen, Mooren, Ackerflächen etc. gebildet wird, innerhalb des Stadtgrüns ohne Not kleiner wird.
- dass abgeholzte Bäume aus ihrem Bestand zu einer Quelle für klimaschädliches CO2 werden
- dass das Ziel, Deutschland bis 2045 klimaneutral werden zu lassen, behindert wird
- dass die Bundesrepublik Deutschland mit Strafzahlungen für die Nicht-Erreichung des Klimaschutzziels belegt wird, die die Allgemeinheit über Steuern zu tragen hat.
- dass die Generationengerechtigkeit abgeschafft wird. Wenn nämlich die heutige Generation der Erwachsenen den Jüngeren die Lebensgrundlagen in einem Zustand hinterlässt, in dem diese nur um den Preis radikaler Enthaltsamkeit leben können. (s. auch Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2021)
Jeder und jede darf selbstverständlich glauben, was er oder sie will. Warum kommt mir bei der Politik des gewähltes Stadtoberhaupts von Pirna und der mit ihm verbundenen Fraktionen nur immer wieder der Kaiser in den Sinn?
Bärbel Falke