Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein

Gedanken als Nachruf zum 17. Mai 2019

Gemeinsam dem CSD Pirna e.V. und dem AKuBiZ e.V. haben wir am Freitag, 17. Mai 2019, traditionell am Rainbowflash zum IDAHOBIT teilgenommen. IDAHOBIT ist der Internationale Tag gegen Homo- Bi- und Transphobie. Ziel des Tages ist es, ein Zeichen gegen die Ausgrenzung, Benachteiligung und auch Verfolgung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transidenten in Pirna, in Sachsen, Deutschland und weltweit zu setzen. Der 17. Mai als Datum geht zurück auf das Jahr 1990, als die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität aus der Liste der Krankheiten strich. Jahrzehnte biologischer, medizinischer und psychologischer Forschung – oftmals mit menschenfeindlichen Methoden – gingen dieser Entscheidung voraus, bis man wissenschaftlich bestätigen konnte: ja, Menschen, die nicht das andere Geschlecht lieben, sind gesunde Menschen.

Das alles ist nun fast 30 Jahre her. 30 Jahre, in denen sich viel bewegt hat. Frauen dürfen jetzt Frauen lieben und sogar heiraten, zwei Männer gemeinsam Kinder adoptieren. Wir haben einen schwulen Gesundheitsminister, eine erfolgreiche lesbische Schlagersängerin. Ja, selbst die Evangelische Kirche ermöglicht in Sachsen öffentliche Segnungen für lesbischwule Paare und in der katholischen Kirche gibt es auch aus den Reihen der Bischöfe stimmen, die gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht mehr verteufeln, sondern die Menschen darin unterstützen wollen. Wir sind also auf einem guten Weg.

Trotz allem sind wir noch lange nicht an dem Punkt angekommen, an dem wir uns aufs Sofa setzen und zuschauen können, wie es lesbischwulen, bisexuellen oder transidenten Menschen gut geht. In jeder Kitagruppe und jeder Schulklasse, jedem Sportteam, jeder Feuerwache und jedem Kulturverein, in den Betrieben, den Unternehmen, den Geschäften in Pirna gibt es Menschen jeden Alters, die nicht heterosexuell oder cisgender sind. Viele verstecken sich jedoch noch weiterhin, denn nur jede dritte LSBTI-Person kann bspw. am Arbeitsplatz offen über ihre Beziehung sprechen. Auch in den Familien ist die Situation oft schwierig – immerhin erleben noch 2 von 3 Jugendlichen, dass die Familie die eigene sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität nicht ernst nimmt. Das Wort schwul ist noch immer eines der häufigsten Beleidigungen auf Schulhöfen.

Wir als Bündnis90/Die Grünen Pirna in Zusammenarbeit mit vielen anderen wollen durch unsere Aktion diese Menschen stärken und aufzeigen, dass sie selbstverständlich das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben haben. Entwicklungen, dieses Recht einzuschränken, stellen wir uns entgegen.

Persönlich wichtig ist es mir, das Thema Trans* zu betonen. Ich selbst bin als schwuler Mann zur Zeit meines Outings auf viel Unsicherheit und viel Unwissenheit gestoßen – sowohl bei der Familie, als auch im Freundeskreis. Heute sind die Informationen zum Thema Lesbischwulsein eindeutig besser und die Menschen sind aufgeklärter. Anders sieht es jedoch beim Thema einer Trans*identität aus. Un-, Halb- oder sogar Falschwissen dominieren leider noch immer die Umfelder von trans*identen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, sodass sie oftmals auf Ablehnung stoßen, wenn sie sich öffnen. Viele erfahren es auch, dass die eigene Geschlechtsidentität nicht ernst genommen wird und mit Worten wie „Das ist doch nichts als eine Phase!“ – oftmals sogar wohlwollend vom Umfeld gemeint – abgetan wird. Dabei ist die geschlechtliche Identität etwas, das auch bereits Kinder in Kita oder Grundschule für sich selbst wissen. Anders als die sexuelle Orientierung, welche oftmals erst in der Pubertät oder gar später entdeckt wird, wissen also schon sehr junge Menschen, was sie sind.

Aus diesem Grund habe ich dieses Jahr die Flagge der Trans*Bewegung in Pirna geschwungen. Ihre Farbkombination hat eine eigene Bedeutung. Blau und Rosa stehen dabei für das männliche und weibliche Geschlecht. Weiß symbolisiert die Phase des Überganges von einem körperlichen Geschlecht zum anderen (Transition genannt).

Besonders dankbar bin ich persönlich und sind wir als Stadtverband Pirna dem CSD Pirna e.V. und dem Begegnungszentrum. Das Zentrum als Teil der Jugend- und Familienhilfe ist für lesbischwule, bisexuelle und trans*idente Menschen in und um Pirna eine zentrale Anlaufstelle. Momentan erhält das Begegnungszentrum jedoch lediglich finanzielle Unterstützung durch den Landkreis, um eine 20-Stunden-Stelle der Jugendhilfe zu beschäftigen. Das ist zu wenig! Wir fordern, dass die Stadt Pirna das Begegnungszentrum unterstützt, um diese Stelle mit 30 Arbeitsstunden wöchentlich auszustatten. So wollen wir die dringend notwendige Arbeit des Begegungszentrums sowie die Kooperation mit anderen Einrichtungen und Vereinen im Bereich der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, mit Bildungseinrichtungen und mit Vereinen vor Ort stärken.

Nino Haustein, Sprecher Bündnis90/Die Grünen Pirna