Warum der IPO nicht am Leipziger BMW-Werk gemessen werden kann

Die Projektfahrt der Freien Wähler mit über 300 Schüler*innen aus Pirna ins Leipziger BMW-Werk im Januar 2020 kann einen, wenn man sich in allen Details damit auseinandersetzen möchte, lange beschäftigen. Neben der Kommunikation von Ziel und Zweck der Fahrt über die Finanzierung hin zur IPO-Werbung, die letztlich betrieben wurde, ist da vieles dabei. Und gerade letztere ist irreführend, denn es gibt massive Unterschiede zwischen dem Projekt „Industriepark Oberelbe“ von Pirna, Heidenau und Dohna und dem BMW-Werk in Leipzig. Auf diese Unterschiede gehen wir im Folgenden ein. (Beitrag zum Thema: Sächsische Zeitung vom 21.01.2020)

Vergleich von IPO und BMW-Werk Leipzig. Nachteile des Industriepark Oberelbe überwiegen.

Erschließung und Finanzierung: Gravierende Unterschiede

In Leipzig stand der Investor bereits vor der Erschließung der zu bebauenden Fläche fest (Ansiedlungsvertrag mit der Stadt Leipzig 7/2001, erster Spatenstich 5/2002, Serienproduktion ab 3/2005). Die IPO-Flächen sollen dementgegen als Angebot erschlossen werden, also quasi „auf Halde“ – über Kredite, die der Zweckverband IPO sowie die Kommunen am Hals haben. Die so erschlossenen Flächen sollen dann Investoren, die es derzeit noch gar nicht gibt, verkauft werden.

Für den Zweckverband, aber auch für die Kommunen Pirna, Heidenau und Dohna ergeben sich damit immense finanzielle Belastungen. Bei schlechter Vermarktung der IPO-Flächen oder sonstigem Ausbleiben von Interessenten kommt die lange Kreditbindung mit selbst zu erwirtschaftender Tilgung hinzu. Leipzig hatte sich seinerzeit unter 250 Mitbewerbern durchgesetzt bei BMW, weil einfach alle Rahmenbedingungen stimmten. Hier stimmt gar nichts.

Fachpersonal: Vorhandene vs. zu werbende Arbeitskräfte

Ein weiterer großer Unterschied der beiden Projekte sind die Arbeitsplätze, welche nicht nur geschaffen, sondern natürlich auch an die richtigen Personen vergeben werden müssen. In Leipzig gab es nicht nur vor dem Bau der BMW-Anlage klare Aussagen zu den kommenden, zu besetzenden Stellen; auch das Fachpersonal war (zu Teilen) bereits vor Ort. Diese hohe Verfügbarkeit an Fachpersonal ist beim IPO nicht gegeben – oder schlimmer: es ist noch gar nicht klar, ob und welche Fachkräfte überhaupt benötigt werden.

Die erstehenden Arbeitsplätze waren bei BMW also von vornherein klar in Anzahl und nötiger Qualifikation. Die Ausbildung der neuen Mitarbeiter*innen fand zudem schon während der Bauzeit der Leipziger Niederlassung in anderen Werken statt. Die teilweise für den IPO kommunizierten 3.000 Arbeitsplätze sind völlig spekulativ sowie durch keinen einzigen Interessenten oder Investor bestätigt oder anderweitig begründet. Hier wird das Pferd quasi von hinten aufgezäumt.

Fläche und Bebauung: Ebene beim IPO nicht gegeben

Im Falle des Leipziger BMW-Werks war eine optimale Gestaltung möglich, da sich eine ebene Topografie mit Erweiterungspotenzial bot bzw. bietet. Für den IPO steht auf den Äckern von Pirna, Heidenau und Dohna eine geneigte Fläche zur Verfügung (4,5% der 50 ha Fläche), welche erst terrassiert werden soll. Wer die Kosten dafür trägt, das ist unklar – entsprechend schreckt der Umstand auch mögliche Investoren ab.

Außerdem ergeben sich – neben dieser „Bremse“ für Interessenten – aus dem auszugleichenden Gefälle und der Flächenversiegelung weitere Probleme wie die aufwändige Wasserhaltung für Oberflächenwasser, besonders bei Starkregen. Das wird somit ebenfalls kostenintensiver als in Leipzig; und das bei unklarer Finanzierung des IPO. Neben den lokalklimatischen Problemen (s. Thema Kaltluftstrom) ist also noch viel mehr zu bedenken.

Landschaftsschutz und Bodenwert

Bleiben wir noch kurz bei der Fläche an sich. Denn da gibt es weitere große Unterschiede von IPO und BMW-Werk in Leipzig. Letzteres wurde nicht in ein Landschaftsschutzgebiet geplant. Der IPO jedoch würde die Ausgliederung von Arealen aus dem Landschaftsschutzgebiet „Großsedlitzer Hänge“ erfordern. Hinzu kommt eine negative Beeinflussung der Sichtachsen des Barockgartens Großsedlitz. Nicht zuletzt war auch der Bodenwert der verbrauchten Ackerflächen in Leipzig geringer als beim Industriepark Oberelbe.

Verkehrstechnische Anbindung: Nicht zu vergleichende Verhältnisse

Die Verkehrserschließung ist beim Leipziger BMW-Werk ebenfalls eine ganz andere als bei den geplanten IPO-Flächen. Denn in Leipzig findet sich ein Bahnanschluss für den Güterverkehr genauso wie ein naher Flughafen. Beides ist beim IPO weder gegeben noch realisierbar. Eine Straßen- respektive Autobahnanbindung und ein paar Bushaltestellen werden nicht ausreichen.

Klimatische Bedenken sind beim IPO gegeben

BMW steht in Leipzig weitab von Wohnanlagen sowie in Nordost-Ausrichtung vor der Stadt – ergo nicht in der Hauptwindrichtung. Der IPO, sollte er erbaut werden, stünde in direkter Hauptwindrichtung von Pirna und im Kaltluftentstehungsgebiet. Mit dem IPO würden also aktiv Wert und Qualität der Wohnanlagen im Seidewitztal, in der Einsteinstraße (inkl. Seniorenheim), in der Zehistaer Str. und der Umgebung sinken. Gerade in der wichtigen Anfangsphase der Kaltluftentstehung wäre der IPO ein gravierend-negativer Einfluss auf das Lokalklima.

Kaltluft-Blockade: Anmerkungen zum SZ-Artikel der Seite IPO-Stoppen.com

Fazit zum Vergleich von IPO und BMW in Leipzig

Bei einem Vergleich von IPO und BMW-Werk in Leipzig lassen sich gravierende Unterschiede feststellen. Vom Boden über die Planung und Finanzierung hin zu lokalklimatischen Problemen für die Einwohner*innen der angrenzenden Orte / Städte ist alles dabei, was den Industriepark Oberelbe negativ vom Leipziger „Vorzeigebeispiel“ abhebt. Hinzu kommt eine Verschuldung von Zweckverband und Kommunen, vor allem dann, wenn Bodenneigung, Wassermanagement, schlechte Verkehrsanbindung, hohe Kosten und Co. auf lange Sicht Investoren abschrecken. Und damit ist zu rechnen. 

Wenn der Oberbürgermeister also davon spricht, dass Pirna und die Region mit ähnlich guten Standortfaktoren wie Leipzig punkten könnten, so werden hier alternative Fakten in die Welt gesetzt. Hinzu kommt das destruktive Vorgehen im Stadtrat: Im Rat haben die Freien Wähler mit Hilfe der Konservativen und Rechten verhindert (Absprachen und gemeinsame Abstimmungen gibt es nicht nur in Thüringen), dass die Bürgerinitiative den Stadträten Tatsachen präsentiert, die nicht zu ihren Plänen passen. Und mit der Fahrt nach Leipzig haben sie die Begeisterungsfähigkeit und Zukunftspläne von Schülerinnen und Schülern benutzt, um sie auf den IPO einzustimmen. 

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