Corona-Chance – Für was ist die Krise gut?

Als systemisch ausgebildete Therapeutin bin ich der Überzeugung und mache in Beratungsprozessen – egal ob mit Individuum, Paar, Familie oder Team – wieder und wieder die Erfahrung, dass Symptome bzw. Probleme oder Krisen Weiterentwicklung befördern und zu neuer Stärke führen.

Krise als Chance nutzen heißt, Transformation bewusst gestalten!

Krise ist, wenn bisherige Problemlösungsstrategien, Denk- und Handlungsmuster zur Bewältigung der Situation nicht ausreichen. Das Spezifische einer Krise ist eben, dass bisher Funktionierendes außer Kraft ist.

Eine Krise bewältigen heißt, sich öffnen für neue, nie dagewesene Wege und Erfahrungen. Wenn also eine Krise gut bewältigt ist, hat man neue Erkenntnisse, Handlungsmuster, Sichtweisen, Strategien dazu gewonnen; man ist an der Krise gereift, hat sie zur Transformation genutzt. Man ist ein bisschen reicher und ein bisschen neu!

Wer anders herum dabei bleibt, eine Krise mit den bis dahin gewohnten Strategien bewältigen zu wollen, entwickelt dauerhafte Symptome, wird krank – egal ob Individuum, Paar, Familie oder Team.

Wenn ich diese Denkweise auf Corona übertrage?

Corona ist eine weltweite Krise. Die bisherigen Bewältigungsstrategien reichen nicht. Wir müssen uns öffnen für neue, ungewohnte Wege, wenn wir aus der Krise gestärkt und neu hervorgehen wollen.

Zur Zeit wird so vieles sichtbar, wovor Verantwortlich lange die Augen zu gemacht haben, zumachen konnten! Zur Zeit wird manches behandelbar, was sonst weggedrückt wurde.

Zur Zeit geht sooo Vieles, was lange nicht ging!

Ein paar Beispiele:

  • Die Unterbezahlung der Pflegekräfte und die schlimme Situation in manchen Altenheimen wird deutlich, Besserungen werden in Betracht gezogen.
  • Nudeln aus Italien kommen derzeit mit der Bahn, weil die LKW aus Deutschland nicht kommen. Die Unternehmen stellen fest, es geht zuverlässig und flexibel!
  • Vier große reiche Fußballclubs merken, dass sie keine Gegner mehr haben, wenn kleinere Vereine in Insolvenz gehen müssen: sie teilen!
  • Unternehmen stellen fest, dass regional produzieren die Wirtschaft in Krisen stabiler hält, dass die Abhängigkeit von einem billig produzierenden Land in Krisen bedrohlich ist. (Atemmasken in China, Zulieferfirmen in Japan, etc.)
  • Viele Kinder sind zufrieden, dass sie endlich im eigenen Tempo lernen können und mit Mama und Papa spazieren gehen.
  • Politiker*innen hören auf die Wissenschaft und ihre Erkenntnisse, berücksichtigen sie bei ihren Entscheidungen. Das könnte sich doch angesichts des Klimawandels auch mehr tun!
  • Die Diskussion um das Grundeinkommen hat neue Brisanz
Corona als Chance – Durch das Coronavirus und die dadurch ausgelöste Krise lernt die ganze Welt, umzudenken, neu zu denken. Diese Dynamik des Umdenkens sollte nach der Krise weiter genutzt werden.
Corona als Chance – Durch das Coronavirus und die dadurch ausgelöste Krise lernt die ganze Welt, umzudenken, neu zu denken. Diese Dynamik des Umdenkens sollte nach der Krise weiter genutzt werden.

Und ich beobachte: Wenn starre Strukturen wegbrechen, richtet sich das Menschliche auf!

Ich bin neugierig, ob und wie die Menschheit die Corona-Krise zur Transformation nutzen wird!

In den aktuellen Diskussionen überwiegt die Frage: „Wie kriegen wir das Alte schnell wieder ans Laufen?“ Und das, obwohl wir wissen, dass vieles davon uns krank macht!

Das macht mir große Sorge! Ich möchte die Diskussion gern weiter in die Richtung lenken: Wie sichern wir das wertvolle Neue? Ich möchte die Frage wachhalten: Wie kann das Menschliche stärker werden als eingefahrene Strukturen?

Und ich frage mich: Lässt sich dieser Gedanke auf Pirna übertragen? Was wird sichtbar? Was ist gerade anders? Welche Probleme zeigen sich? Was entsteht Neues? Wo zeigt sich Menschliches mehr?

Vielleicht auch: Was geschieht in uns selbst?

Und was kommt beim Grünen Stadtverband durch Corona in Bewegung? Was davon wollen wir weiter entwickeln?

Und weil ich nicht mit offenen Fragen abschließen will, ein paar Sätze zu meinen Erkenntnissen, was Corona mit mir macht:

Corona löst Angst vor Bedrohung aus, vor Sterben. Es nimmt Sicherheit. Es geht unter die Haut und macht komische Gefühle. Es zeigt mir die Grenze des Machbaren, des Handhabbaren. Ich spüre derzeit mehr Sicherheit in liebevollen Verbindung zu anderen als im Beruf und im Geldverdienen. Ich habe Zeit für Erholung, für Ruhe, Muße, Gedanken, Schreiben.

Lasst uns in Verbindung bleiben!

 

Ein Text von Maria Giesing, Mitglied des Stadtverbands Pirna von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN