Die Welt nach Corona

Stellen wir uns vor, über Nacht ist ein Wunder passiert. Alle Probleme, die wir in der Krise erlebt haben, sind verschwunden und die Welt ist eine andere, bessere geworden. Woran können wir das erkennen?

  • Die Menschen in Pirna sind freundlich und gehen sehr höflich miteinander um. Sie haben keine existentiellen Probleme. Alle beziehen ein bedingungsloses Grundeinkommen.
  • Die Kinder gehen wieder zur Schule. Für sie und auch die Lehrer sind die Schulen helle, freundliche Orte, aus denen der Gedanke, dass Kinder zu Schulen passen müssen, verbannt ist. Niemand wird beschämt, aussortiert oder allein gelassen.
  • In der Stadt gibt es deutlich mehr grüne Oasen. Der Marktplatz ist kein Parkplatz mehr.
  • Auf den Straßen geht es entspannter zu. Es sind weniger Autos unterwegs, es gibt viele öffentliche Verkehrsmittel, große und kleine Busse, die auch in die entlegenen Orte fahren.
  • Die Krankenhäuser sind viel besser ausgestattet als früher. Sie werden nicht mehr am Gewinn, an Fallzahlen, gemessen. Ärzte haben mehr Zeit für ihre Patienten, es gibt genügend Pflegekräfte, die deutlich besser bezahlt werden.
  • Unternehmen werden nur noch dann subventioniert, wenn sie klimafreundliche Maßnahmen ergreifen. Ihre oberste Richtschnur ist nicht mehr der Gewinn, sondern das Gemeinwohl.
  • Die Produktion vieler Güter ist zurück nach Deutschland verlegt worden.
  • Die europäischen Länder geben kaum noch Geld für Waffen aus. Der Waffenexport ist verboten. Das Geld wird in Kooperationsprojekte mit Entwicklungs- und Schwellenländern gesteckt.
  • Der Krieg in Syrien ist beendet. Wer möchte, kann nach Hause zurückkehren. Wer hier Fuß gefasst hat, darf bleiben. Die Weltbank unterstützt den Aufbau des Landes großzügig.
  • In jeder Stadt gibt es einen öffentlichen Bürgerhaushalt, über den die Bürger gemeinsam beschließen. Es gibt auch einen Zukunftsrat, der paritätisch besetzt ist mit Frauen und Männern, Alten und Jungen, Menschen mit und ohne Behinderung, Alteingesessenen und Neubürgern. Dieser Rat legt den Bürgern der Stadt regelmäßig Vorschläge zur Weiterentwicklung des Gemeinwesens vor.
  • Die Landwirtschaft hat von Massentierhaltung auf ökologische und nachhaltige Tierhaltung und ebensolchen Pflanzenanbau umgestellt. So werden auch multiresistente Keime weiter minimiert. Tiere werden nicht mehr zur Schlachtung über weite Strecken transportiert. Die Menschen können sich die hochwertigeren Lebensmittel leisten, weil sie das Grundeinkommen haben.

Ihr glaubt nicht an Wunder? Wenn wir es für den Moment tun würden, könnten wir uns überlegen, welche Schritte, die in unserer Macht stehen, uns diesem Wunder ein wenig näher bringen könnten.

DIe Welt nach Corona – wie sieht sie aus? Wie wird Pirna sich nach der Krise zusammenfinden und zusammentun, um demokratische Mittel zur Schaffung einer besseren Stadt zu nutzen?
DIe Welt nach Corona – wie sieht sie aus? Wie wird Pirna sich nach der Krise zusammenfinden und zusammentun, um demokratische Mittel zur Schaffung einer besseren Stadt zu nutzen?

Einige Vorschläge, die ich zur Diskussion stellen möchte:

  • Lasst uns raus aus unserer Blase treten und uns weiter vernetzen mit anderen Vereinen, Initiativen und Projekten. Den Anfang haben wir schon gemacht und werden gemeinsam mit der „Bürgervereinigung Oberelbe – IPO – Stoppen“ und anderen Vereinen eine Versammlung auf dem Pirnaer Marktplatz gegen das geplante gigantische Industriegebiet, das als Park verharmlost wird, planen und durchführen. Lasst uns Ideen entwickeln, was aus dem Gelände auf dem Feistenberg werden könnte. Vielleicht wird dort ein echter Park entstehen, ein Tierpark, in den die Besucher/innen vom Barockgarten nahtlos wechseln können. Der Eintritt ist kostenlos. Die Bürger/innen der umliegenden Städte und Gemeinden haben Patenschaften über die Tiere übernommen. Es ist ein echter Bürgerpark. Viele Familien pilgern am Wochenende auf den Feistenberg mit Picknickkörben im Gepäck. Sie essen gemeinsam, spielen mit den Kindern, lauschen den Vögeln und schauen, wie es ihren Tieren geht.
  • Lasst uns wie im vergangenen November gemeinsam mit dem Uniwerk und in den Räumen des Uniwerks ein neues Debattenformat entwickeln, das „Pirna spricht“[1] oder „Wir in Pirna“ heißen könnte. Natürlich werden wir Gesinnungen und Meinungen aushalten müssen, die uns zutiefst fremd sind. Aber aussperren kann man die ja ohnehin nicht mehr. Lasst uns selbstbewusst auftreten und konkret nachfragen. Vielleicht können wir es schaffen, den Diskurs in ruhige, konstruktive Bahnen zu lenken und gemeinsam etwas für unsere Stadt herauszufinden.
  • „Menschen ärgern sich, wenn es irgendwo hässlich aussieht, und meiden solche Orte, Menschen zieht es dorthin, wo es schön ist. […] Positive Veränderungen beginnen häufig mit Ästhetik.“[2]
  • Lasst uns ähnlich wie 2019, als wir die Flatterulme gepflanzt haben, überlegen, wie wir mehr Schönheit, Natur, Grün in unsere Stadt bringen können.
  • Lasst uns überall dort, wo wir der „politischen und kulturellen Verwilderung“ [3] begegnen, dieser entgegentreten. Überlassen wir z. B. den Begriff der Heimat nicht den Rechten. Sorgen wir dafür, dass er nicht mit Deutschtümelei gefüllt wird, sondern mit dem aktiven Bemühen um den Fortbestand der Natur, der Tiere und Pflanzen unserer Region, mit Freundlichkeit und der Geselligkeit aller Menschen, die in unserer Region leben, egal woher sie kommen, welcher Religion, welchen Alters oder Geschlechts sie angehören und welche sexuelle Präferenz sie haben.

Sicherlich habt ihr zahlreiche andere Vorschläge oder zumindest eine Meinung zu diesen. Lasst uns eine Diskussion dazu beginnen.

 

Ein Text von Dr. Bärbel Falke, Sprecherin des Stadtverbands Pirna von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN


[1] Jürgen Wiebicke: Zehn Regeln für Demokratie-Retter. Kiepenheuer & Witsch 2018, S.36

Der Autor berichtet über das Debattenformat „Köln spricht“, das von einigen jungen Leuten entwickelt wurde, die sich Sorgen um die Zukunft der Demokratie machten. „Sie haben erkannt, wie wichtig in der derzeitigen Situation der Verunsicherung analoge Orte sind, damit wir Gelegenheiten haben, uns wechselseitig zu versichern, wofür wir einstehen wollen. Und die Erfahrung machen, nicht allein zu sein. Solche analogen Orte der Demokratie benötigen wir jetzt hundertfach im ganzen Land.“

[2] Ebenda, S. 25

[3] Ebenda, S. 59