Die humanitäre Katastrophe in Moria, Griechenland

Das „Flüchtlingslager Moria“, das sich auf der griechischen Insel Lesbos in der Gemeinde Mytilini befindet, wurde einmal für die Aufnahme von etwa 3.000 Personen errichtet. Im März 2020 wurden rund 20.000 Geflüchtete vor Ort gezählt. Aktuell sollen etwa 12.000 bis 13.000 Menschen dort leben. In der Nacht vom 8. auf den 9. September 2020 gab es einen Großbrand in dem Flüchtlingslager Moria, weshalb die dort lebenden Menschen nun neben allen anderen Widrigkeiten auch noch obdachlos sind (Quelle). Eine humanitäre Katastrophe, die das Produkt eines jahrelangen Wegsehens seitens der EU und Deutschlands ist. 

Großbrand in Moria zeigt die Zuspitzung einer humanitären Katastrophe

Es ist nicht der erste Brand und es ist nicht das erste große Problem, das sich mit dem Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ergibt. Seit Jahren wird berichtet, dass Menschen dort unter unwürdigsten Bedingungen hausen müssen. DIe humanitäre Hilfe ist eingeschränkt, nicht erst seit der Coronavirus-Pandemie. Und dennoch wird seitens der EU, seitens Deutschland großzügig weggeschaut. Griechenland wurde diesbezüglich von Ursula von der Leyen als „Schild von Europa“ bezeichnet (Quelle) – eine tendenziöse Aussage, die einfach nur menschenverachtend ist. 

Alle Hilfegesuche, alle Appelle und alle Berichterstattungen (s. u.) scheinen von den Verantwortlichen abzuprallen – von der Kanzlerin, dem Bundesinnenminister Seehofer und dem Bundesaußenminister Maas. Zumindest letzterer ließ sich angesichts des Großbrands in Moria zu einem nichtssagenden Statement auf Twitter hinreißen:

Was in Moria passiert, ist eine humanitäre Katastrophe. Mit der EU-Kommission und anderen hilfsbereiten EU-Mitgliedstaaten müssen wir schnellstens klären, wie wir Griechenland unterstützen können. Dazu gehört auch die Verteilung von Geflüchteten unter Aufnahmewilligen in der EU.Quelle

Warum erst jetzt? Warum immer erst, wenn es zu spät ist? Das sollten Sie und das solltet ihr nicht nur Heiko Maas und sein Ministerium fragen, sondern auch die Bundesregierung und das Innenministerium mit dem Minister Horst Seehofer. Die entsprechenden Kontaktdaten gibt es weiter unten in diesem Beitrag. Vorher möchten wir auf eine weitere Möglichkeit der Beteiligung eingehen.

Eilappell von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt Geflüchtete aufnehmen!

Unter der Überschrift „Moria: Jetzt Geflüchtete aufnehmen!“ gibt es einen Eilappell an die Bundesregierung, die auf die akute Gefahr hinweist, in der sich 13.000 Menschen in Moria befinden. „Bundeskanzlerin Merkel muss jetzt handeln! Die griechischen Lager müssen evakuiert und die Menschen in Sicherheit gebracht werden“, heißt es unter anderem. Wenn Sie und wenn ihr den Appell mit unterzeichnen wollt, damit möglichst viel Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt und eine schnelle, nachhaltige Lösung eingefordert werden kann, dann klickt bitte hier: https://www.gruene.de/aktionen/moria-jetzt-gefluechtete-aufnehmen. 

Europa hat in der „Flüchtlingsfrage“ versagt

In Moria verbrennt die Europäische Idee“, schreibt Erik Marquardt auf Twitter. Erik ist nicht nur Mitglied bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sondern auch Abgeordneter im Europaparlament. Er kennt beide Seiten des Problems. Als MEP setzt er sich auf europäischer Ebene für eine menschenwürdigere Flüchtlingspolitik ein. Zudem war er selber mehrere Monate in Griechenland und hat sich ein Bild vom Flüchtlingslager Moria gemacht. Er hat immer wieder über Social Media und andere Kanäle berichtet, wie unwürdig die Lage für die Menschen vor Ort ist und wie sehr Hilfe benötigt wird. „Wir haben politisch versagt, jahrelang. Europa versagt“, schreibt er in einem Tweet, mit dem er auch ein Video vom aktuellen Feuer teilt.

Fragen und Appelle loswerden: BMI, Auswärtiges Amt, Regierung

Unser Mitglied Johannes Domke hat sowohl beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als auch beim Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat sowie beim Infotelefon der Bundesregierung angerufen. Aus den Gesprächen mit diesen drei Stellen sind folgende Informationen hervorgegangen:

  • Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Verweis auf die Bundesregierung und darauf, dass das Amt nur den Weisungen des Innenministeriums folgt. Ein Appell für mehr Aktion in der Sache Moria kann und wird daher seitens dieser Stelle nicht erfolgen.
  • Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat: Beim Innenministerium gab es keine Auskünfte, sondern die Bitte, sich per Mail zu melden. Fragen wurden entsprechend zugesendet. (Update: Eine Antwort ist eingegangen – s. u.)
  • Infotelefon der Bundesregierung: Verweis auf Aussagen von Heiko Maas (Bundesaußenminister, s. o.) und Joachim Stamp (Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in Nordrhein-Westfalen). Es gibt derzeit keine aktuellen Informationen und auch noch keine Infos zu kommenden Stellungnahmen (Pressekonferenzen o. ä.). Dennoch gibt es den Hinweis, Anfragen und Appelle (zahlreich) an das Bundesinnenministerium sowie an den Bundesinnenminister Horst Seehofer zu richten.

Dieser Recherche folgend gibt es hier die Bitte und den Aufruf, Anfragen und Appelle an das Bundesinnenministerium (BMI), den Bundesinnenminister Seehofer sowie an die Bundesregierung allgemein zu richten. Beispielsweise können BMI und Seehofer gefragt werden, warum es in Moria so weit kommen konnte, ob es jetzt endlich ein Umdenken geben wird, etc. Denn Deutschland hat Platz. In mehreren Bundesländern und ihren Kommunen gibt es Möglichkeiten und Bestrebungen, Flüchtende aufzunehmen. Warum blockiert Seehofer die Bestrebungen? Stellen Sie und stellt diese Fragen, damit auf Bundesebene ankommt, dass es ein breites öffentliches Interesse an Menschenwürde und der Europäischen Idee gibt. 

Update: Antwort von der BMI Pressestelle

Diese Fragen wurden gestellt:

  1. Gibt es nun endlich Bemühungen, die Flüchtlinge aus Moria herauszuholen und in der EU bzw. speziell in Deutschland aufzunehmen?
  2. Wird die aktuelle Katastrophe ein Anlass sein, endlich die europäische Idee des Friedens und damit auch der Rettung von Menschen in Not wahr werden zu lassen?
  3. Gibt es sonstige Informationen zur aktuellen Lage und möglicherweise geplanten Maßnahmen für Hilfe und Besserung in der sog. „Flüchtlingsfrage“?
  4. Wann und wo sind detaillierte Informationen zum Thema erhältlich (Informationsbeiträge, Pressemitteilungen, Pressekonferenzen, etc.)?

Diese Antwort ist eingegangen:

Wir befinden uns auf allen Ebenen in intensiven Gesprächen mit der griechischen Regierung, den griechischen Behörden, der Europäischen Kommission und mehreren EU Mitgliedstaaten. Der Bundesinnenminister hat heute mit dem griechischen Migrationsminister Mitarakis telefoniert.
Nach den uns vorliegenden Erkenntnissen wurden durch den Brand in Moria weite Teile der dortigen Einrichtung zerstört. Es ist derzeit davon auszugehen, dass die Einrichtung in der bisherigen Form nicht mehr nutzbar ist. Der griechische Migrationsminister Mitarakis hat mitgeteilt, dass es nach bisherigem Kenntnisstand keine Toten und Verletzte gibt. In Folge der Brände sind jetzt etwa 12.600 Menschen ohne Unterkunft. Wir gehen davon aus, dass sich unter diesen Menschen auch 400 unbegleitete Minderjährige befinden. Diese sollen – so Griechenland – noch heute aufs Festland verbracht werden. Die Lage vor Ort ist dynamisch und wir befinden uns derzeit weiter in der Informationsgewinnung, um eine sichere Basis für weitere Entscheidungen zu haben. Der griechische Migrationsminister hat betont, dass die griechischen Behörden die Lage im Griff haben.
Es geht jetzt darum, in Erfahrung zu bringen, ob und wenn ja, welche Hilfe Griechenland in dieser schwierigen Situation braucht, um dann zielgerichtet helfen zu können. Deutschland hat Griechenland in der Vergangenheit an vielen Stellen unterstützt und wird auch jetzt helfen. Das ist die deutsche Position und entspricht auch der Rolle als EU-Ratspräsidentschaft. Der Bundesinnenminister hat gegenüber der griechischen Regierung bereits Hilfe angeboten. Wir haben Kenntnis davon, dass die griechischen Behörden bereits Maßnahmen eingeleitet haben, um die nahtlose und sichere Unterbringung der 12.600, insbesondere der vulnerablen und schutzbedürftigen, Personen sicherzustellen. Der Brand in Moria und die daraus folgenden Konsequenzen machen sehr deutlich, wie wichtig es ist, bei der Flüchtlingsfrage eine europäische Lösung zu erreichen.

Text von Johannes Domke