Wenn es heiß wird in der Stadt

In diesem Sommer steigen die Temperaturen wieder deutlich über 30 Grad. In der Sächsischen Schweiz brennen die Wälder. Die Folgen der Klimaerwärmung sind bei uns in der Region, sind in unserer Stadt angekommen. Die Hitze wird auch in den kommenden Jahren eher noch steigen als abnehmen.

“Sommerliche Hitzewellen sind an sich kein neues Phänomen. Neu ist aber, dass extreme Hitzeereignisse in Europa in den letzten Jahren häufiger und intensiver aufgetreten sind. Man denke nur an die heißen und trockenen Sommer 2018, 2019, 2020 und die jüngsten Hitzewellen in Europa – und wir rechnen damit, dass das noch schlimmer wird“, sagt Efi Rousi vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Hauptautorin der Studie, die in Nature Communications veröffentlicht wird. „Unsere Studie zeigt, dass diese Hitzeextreme in Europa mit doppelten Jetstreams und deren zunehmender Verweildauer über dem Gebiet Eurasiens zusammenhängen.“ http://(1) https://www.pik-potsdam.de/de/aktuelles/nachrichten/mehr-hitzewellen-in-westeuropa-wegen-veraenderungen-des-jetstreams Der Jetstream ist auch dafür verantwortlich, dass die Hitzewellen über Europa in den letzten 40 Jahren drei- bis viermal schneller zugenommen haben, als in den übrigen mittleren nördlichen Breitengraden wie etwas über den USA oder Kanada (vgl. ebenda).

Vorhaben der Stadt Pirna zur Anpassung an den Klimawandel

Pirna hat 2021 beim Sächsischen Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (SMEKUL) eine Projektskizze mit Anpassungsstrategien an den Klimawandel zur Förderung eingereicht. Diese Skizze wurde unter dem Förderprogramm „Nachhaltig aus der Krise“ zur Förderung ausgewählt. Zwei Projekte stehen dabei im Mittelpunkt:

1. Stadtgärten Breite Straße

„Anknüpfend an die Zielsetzungen der Klimaanpassungsstrategie liegt ein Schwerpunkt dieses Teilprojektes in der klimaangepassten Ausweitung/ Vernetzung bestehender Grünanlagen (Friedenspark, Wallanlagen) sowie der Schaffung von Flächen zur Abkühlung und des Insektenschutzes.

Dabei werden die Straßengärten aus einem Pool von verschiedenen Modulen (u.a. Stauden, Blühstreifen, Sitzgelegenheiten, Spielpunkten, Hochbeeten) zusammengefügt. Der modulare Aufbau lässt eine optimale Anpassung an die örtlichen Begebenheiten (Geschäftsart, Einfahrten etc.) zu. Ergänzt werden die Stadtgärten durch Baumpflanzungen und der Installation eines Trinkbrunnens.“ http://(2) https://ssl.ratsinfo-online.net/pirna-bi/vo020.asp?VOLFDNR=9773

2. Pflanzung einer Wildobst – Allee

„Entlang der Straßen Am Ehrenhain und Robert-Muth-Straße soll auf einer Länge von 580 m beidseitig sowie auf weiteren 175 m einseitig (aufgrund von Bebauung) eine Allee mit etwa 110 Wildobstgehölzen angelegt werden. Die vorrangig als Fuß- und Radweg genutzte Straße zwischen den Stadtteilen Copitz sowie Mockethal bzw. dem Burglehnpfad führt entlang landwirtschaftlich genutzter Flächen.“ (ebenda)

Der Klimaschutzmanager der Stadt und die externen Projektpartner ThINK (Thüringer Institut für Nachhaltigkeit und Klimaschutz) und Prugger Landschaftsarchitekten werden bis Oktober 2022 eine integrierte Klimaanpassungsstrategie erarbeiten. Diese gilt es von Seiten der Bürgerschaft kritisch zu begleiten.

Wird das ausreichen?

Die Hitze in der Stadt kann sehr wohl minimiert werden, wenn man dazu weitere entschlossene stadtplanerische Maßnahmen ergreift. Die beiden Projekte sind ein guter Anfang. Sie werden jedoch nicht ausreichen. Bei der integrierten Klimaanpassungsstrategie gilt es vieles in den Blick zu nehmen: Gebäude, Gewässer, das Stadtgrün, den Boden, die Wasserversorgung, die Belüftung der Stadt, die Energie, das Arbeitsleben.

Gebäude, Boden, Energie

Die Abkehr von versiegelten Flächen wird eine der wichtigsten Entwicklungsrichtungen unserer Stadt sein müssen. Der nahezu vegetationsfreie Marktplatz von Pirna z. B. ist nicht geeignet, die Temperaturen herabzusetzen. Da helfen auch die Pflanzenkübel nicht wirklich, die zwar nett aussehen, aber keine Kühlung bringen. Auch an anderen Stellen in der Stadt muss die Bodenversiegelung aufgebrochen und Bäume gepflanzt werden. Ein New Yorker Rechercheteam fand heraus, dass sich die Oberflächentemperatur zweier sozial verschiedener Viertel im selben Stadtteil am gleichen Tag um fast 6 Grad Celsius unterschied. In dem einen Stadtviertel gab es mehr Beton, in dem anderen mehr Grün.

Außerdem müssen die veralteten Bauvorschriften der Stadt endlich geändert werden. Ästhetische Fragen dürfen beim Bauen nicht mehr klimarelevante Fragen dominieren, PV-Anlagen nicht mehr der „Kubatur der Gebäude“ unterordnet werden. Es sollen Anreize geschaffen werden, um PV- und/oder Solarthermie- Anlagen auf jedes Neubaudach zu bauen und Anreize zur energetischen Sanierung von älteren Gebäuden. Wenn nicht Statik und Denkmalschutz widersprechen, gehören PV- und/oder Solarthermie- Anlagen auf jedes öffentliche Gebäude. Fassaden und Dachbegrünungen sollen ermöglicht werden, wie auch Solaranlagen an Balkonen von Privat- und Mietshäusern. Dabei braucht es, wenn die Stadt wirklich ernst machen will mit der Klimaanpassung, auch das Ordnungsrecht, also Ver- und Gebote.

Die Stadtwerke können neue Geschäftsmodelle nutzen, z. B. Dächer vermieten für PV – Anlagen von Bürgerenergiegenossenschaften

Stadtgrün vervielfachen – ein Zukunftsszenario und Wunder

Die Stadt wird sich an der Aktion „800 Bäume für 800 Jahre Pirna“ beteiligen. Die vielen Bäume senken die Temperaturen in der Stadt. Sie bieten Schatten, sorgen für mehr Sauerstoff,  sind Lebensraum für Insekten und Vögel. Sie erfreuen die Menschen mit ihren Blüten und Blätterdächern, unter denen Bänke zum Verweilen einladen. Die gesamte Stadtbevölkerung gießt die jungen Bäume und freut sich an deren Wachsen und Gedeihen.

Wenn die Umgehungsstraße um Pirna herum fertig ist, baut die Stadt die Königsteiner Straße (B172) zurück. Freie Grünflächen entstehen so, Versiegelung wird aufgebrochen, frische Luft weht durch die Stadt, wo sich heute noch Autoschlangen durchwälzen. Grünflächen speichern das Wasser zwischen und geben es später wieder an die Umgebung ab. Für den Durst der Menschen sind Wasserspender in der ganzen Stadt verteilt.

Auf dem Marktplatz schleichen Einheimische und Touristen im Sommer nicht mehr im Schatten der Gebäude durch die Hitze, sondern sitzen unter Bäumen und schauen den Kindern zu, die laut lachend durch die Wasserspiele laufen. Auch die Händler haben sich mit der neuen Situation arrangiert. Sie sind in die Planungen mit einbezogen worden.

Was es jetzt braucht

Das alles klingt zu wunderlich? Wenn Landkreis und Städte in den nächsten Jahren keine ambitionierten Maßnahmen zur Klimaanpassung ergreifen, werden Menschen, Tiere und Pflanzen leiden, wird der Schaden groß und teuer sein. Private Gewinninteressen und öffentlicher Spardruck stehen bis jetzt immer noch solchen Maßnahmen im Wege. Aber auch unsere Bequemlichkeit ist ein ziemlicher Bremsklotz. Wir müssen neu darüber nachdenken, was wir wirklich brauchen, und was unser Beitrag sein kann, um diese Erde nicht völlig zu ruinieren. Jede*r von uns kann etwas tun, wohl wissend, dass strukturelle Probleme nicht allein individuell gelöst werden können. Deshalb schauen wir auch weiter genau hin, welche Maßnahmen unsere Stadt zur Klimaanpassung unternimmt, ob sie auch die soziale Frage nicht außen vorlässt. Sozial gerechte Maßnahmen zur Klimaanpassung – das könnte eines der nächsten Themen für den Bürgerrat sein.

Bärbel Falke