Woran ein Leitartikler in der Sächsischen Zeitung scheitert

Bashing, immer wieder mal auch von Männern gegenüber Frauen, gehört heute offensichtlich zum guten Ton; sich moralisch und vor allem intellektuell auf der höheren Stufe wähnend, erscheint alles erlaubt, Beleidigungen inbegriffen.

Herr Heimann beweist mit seinem Kommentar „Wo Annalena Baerbock gescheitert ist“ (SZ, 29./30.10.22), dass nicht Religion oder Kultur die Abwertungen von Frauen begründen und nähren, sondern das Patriachat dort wie hier. Deshalb darf Mann dann bei der ersten Außenministerin „darauf hoffen, dass kluge Leute in ihrem Amt“ nachträglich das Desaster beseitigen, das sie in ihrer unbedachten Spontanität angerichtet hat. In diesen Leitartikel (wohin soll er uns Leser*innen eigentlich leiten?), der im Wesentlichen Wortzitate aus dem Kontext reißt, gehört wie selbstverständlich auch das Bild der „Leichtmatrosin“, die nur „folgenlos labern“ kann.

Was macht Mann dann an seinem Schreibtisch bloß mit der Nachricht, dass Annalena Baerbock am 12.10.2022 in Berlin als Politikerin des Jahres mit dem Politikaward vom Magazin „Politik und Kommunikation“ in Zusammenarbeit mit der Quadriga Universität Berlin ausgezeichnet wurde? Wenn dann noch der ehemalige (bis Mai 2022) französische Außenminister Jean-Yves Le Drian in seiner Laudatio „die Klarheit und den politischen Mut“ seiner jungen Kollegin während der Ukraine-Krise würdigt und 350 Anwesende aus Politik, Journalismus, Unternehmen sowie Institutionen der Preisträgerin Beifall klatschen, hat Mann ein Problem, oder?

Vielleicht wäre es ja ein Weg, Fakten sprechen zu lassen, also den Kontext (Konflikt auf offener Bühne mit Lawrow in Moskau [18.01.22], anschließende Lüge von Lawrow zur Kriegsvorbereitung, völkerrechtswidriger Angriffskrieg [ab 24.02.22] mit dem Ziel der Vernichtung der ukrainischen Nation) aufzuzeigen, in dem Annalena Baerbock am 25.02.2022 in Brüssel nach dem Beschluss aller EU-Außenminister*innen zu den Russland-Sanktionen mit ihrer Brandrede stand. Oder zu erläutern, dass Materiallieferungen zu gemeinschaftlichen, europäischen Waffenexporten an Saudi-Arabien aufgrund der Beschlusslage der alten Bundesregierung zu erfolgen hatten. Oder darzulegen, dass eine waffentechnische Kooperation innerhalb einer zukünftigen europäischen Verteidigungsallianz natürlich auch im wirtschaftlichen Sinne für eine Frau sparsamer ist als ein Alleingang. Oder herauszustellen, dass die Konditionen der Kooperation aufgrund unterschiedlicher Ausgangslagen der Partner für die Zukunft universell und wertgeleitet, auf Augenhöhe ausgehandelt werden müssen, auch von einer Außenministerin, die dem Grundgesetz und damit dem Wohl der Bürger*innen nach bestem Wissen und Gewissen verpflichtet ist.

Dieter Wiebusch

Und so sieht der Leserbrief nach mehreren Änderungswünschen der SZ – Redaktion in der Wochenendausgabe am 05.11.22 aus: