Stellungnahme zum B-Plan Nr. 98 „Sondergebiet Hotel Liebethal“

Der Bebauungsplan Nr. 98 sieht oberhalb des Liebethaler Grundes und außerhalb des Tales der Wesenitz auf einer Ackerfläche einen Hotelneubau vor mit 150 Betten incl. eines Restaurants mit 120 Sitzplätzen[https://gis.pirna.de/portalserver/#/portal/pirna?startsearchid=155.3&oid0=5776_12377_155; Umweltbericht S. 9]. Der Tourismusverband unterstützt diesen Neubau, soll doch die Region touristisch und wirtschaftlich weiterentwickelt werden.

Das ganze Projekt kommt recht harmlos und auch fortschrittlich daher. Ist es doch gegenüber dem vorher geplanten Hotelneubau direkt im Liebethaler Grund, der zurecht abgelehnt wurde, das kleinere Übel und erscheint machbar. Und da gegen die wirtschaftliche Entwicklung einer eher strukturschwachen Region, die zudem auf den Tourismus angewiesen ist, nichts einzuwenden ist, hat sich auch der Gemeinderat von Lohmen für den Ausbau der im Tale gelegenen Lochmühle und den Bau einer Konzerthalle mitten im verwunschenen Tal der Wesenitz ausgesprochen. Der geplante Hotelneubau liegt auf dem Liebethaler Flur und damit auf Pirnaer Gebiet.

In der nun folgenden Stellungnahme soll es vor allem um diesen Hotelneubau gehen. Allerdings lohnt eine Betrachtung des geplanten Ensembles insgesamt, da es vom Investor als Einheit geplant und gebaut werden soll und nur zufällig in unterschiedlichen Flurbereichen liegt.

Vorausgeschickt

Beim Liebethaler Grund handelt es sich um ein schluchtartiges Tal, das typisch ist für das Elbsandsteingebirge. Seine Schönheit ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Fluss, Felswänden, dem schmalen Wanderweg und der reichhaltigen Flora und Fauna. Letztere hat I. Hradsky, die am Eingang zum Grund wohnt, in einem beachtlichen Fotobuch festgehalten.

Im Tal der Wesenitz fühlen sich nicht nur Biber, Dachs, Ringelnatter, Siebenschläfer, Fischotter, Großes Mausohr, Kammmolch, Eisvogel, Buntspecht, Wasseramsel, Gebirgsstelze, Zaunkönig, Schmetterlinge, Libellen und viele andere Tiere heimisch, sondern auch seltene Farne und Gräser. Es gibt Bäume, die in „Familienformationen“ den Wegrand säumen und auf den Hängen des Grundes wachsen.

Dieses wild verwunschene, auch im Sommer kühle, Tal hat schon viele Menschen angezogen. Darunter Richard Wagner, der hier einen Teil seines Lohengrin komponierte, Ludwig Richter, der das Tal zeichnete und Hans Christian Andersen, der 1831 seine Eindrücke so beschrieb.:

„Je länger wir gingen, desto enger wurde das Thal, die Felswände rückten näher zusammen, und wir konnten nur noch hintereinander auf dem schmalen Steg gehen. (…) Nur vereinzelte Sonnenstrahlen fielen zwischen die Felsen. (…) Wir kehrten wieder um und suchten uns an der Mühle einen Führer, nun wollten wir von oben in den stillen, romantischen Liebethaler Grund gehen, den wir alle in seinem tiefsten Heiligtum kennengelernt hatten.“[1]

Auch wenn wir heute nicht mehr von einem Heiligtum sprechen, so haben wir mit dem Liebethaler Grund doch ein Kleinod der Natur vor uns, das seinesgleichen sucht. Im Teil C der schriftlichen Begründung des Vorhabens mit Umweltbericht wird im Zusammenhang mit den Bauvorhaben von „voraussichtlich erheblichen Umweltauswirkungen“ gesprochen. Der Standort der zukünftigen Hotelanlage befindet sich im Landschaftsschutzgebiet (LSG). Beim Liebethaler Grund selbst (zur Gemeinde Lohmen gehörig) handelt es sich um ein besonders schutzwürdiges Fauna-Flora-Habitat (FFH).

Das Vorhaben

Der Investor möchte die denkmalgeschützte historische Lochmühle restaurieren, diese mit Übernachtungsmöglichkeiten (16 Betten) ausstatten und ein Restaurant mit 60 Sitzplätzen + Terrasse mit ebenfalls 60 Sitzplätzen einrichten. Er vermutet, dass diese Größenordnung nicht wirtschaftlich sein könnte.  Zur historischen Mühle müssen also noch weitere touristische Attraktionen kommen. Damit wird deutlich, dass die ökonomische Überlegung die Triebfeder ist für den Hotelneubau, das dazugehörige Restaurant und als „Krönung“ des Ganzen eine Konzert- und Veranstaltungshalle im schmalen Wesenitztal mit 150 Sitzplätzen.

Man muss kein Prophet sein, um sich vorzustellen, was das für die oben beschriebene Tier- und Pflanzenwelt, für den Charakter des Tales und seine Umgebung insgesamt bedeuten würde. Das wissen offensichtlich auch die Planer. Um die Zerstörung und die Belastungen solcherart Großbauten für die Umwelt zu verharmlosen, werden Berechnungen angestellt, die recht phantasievoll anmuten.

Die Berechnungen

So werden z. B. die notwendigen Parkplätze wie folgt berechnet: Bei der Konzert- und Veranstaltungshalle wird für 9 Sitzplätze 1 PKW -Standplatz berechnet! Im Hotel wird immerhin 1 PKW-Standplatz für 4 Betten berechnet. Selbst wenn man wohlwollend annimmt, dass bei einem Konzert viele Gäste aus dem Hotel kommen, die keinen zusätzlichen PKW-Standplatz benötigen, werden die Parkplätze bei Weitem nicht ausreichen. Von den Massen, die nachts fröhlich lärmend durch den dann beleuchteten Grund laufen, ist da noch gar keine Rede.

Was die Beleuchtung betrifft, geht es ebenso phantasievoll zu. Die zukünftige Beleuchtung soll „artenschutzgerecht erfolgen“ und darf „keinesfalls die umgebende Landschaft oder wertvolle Biotopflächen ausleuchten.“ An den zukünftigen Gebäuden sind Ersatznistkästen für die Vögel anzubringen. Wasseramsel, Eisvogel (der ausschließlich in der Uferböschung nistet), Gebirgsstelze, Buntspecht und Zaunkönig mögen also bitte aus dem Tal in die Ersatznistkästen am Hotelneubau umziehen, wenn unten Konzerte stattfinden und Besucher*innen kommen und gehen. Lärmbelästigungen sind nur vor 22:00 Uhr und nach 6:00 Uhr erlaubt.

Was noch für eine Stadt angehen mag, wird hier für ein Gebiet direkt neben einem Fauna-Flora-Habitat geregelt. Die Hotelanlage selbst soll aus dem Landschaftsschutzgebiet ausgegliedert werden.

Die Zuwegung

Als letzter Punkt sei die Zuwegung zum Hotel erwähnt. Weder das beschauliche Liebethal noch Mühlsdorf sind mit ihren Straßen für ein größeres Aufkommen von Fahrzeugen geeignet. Die immer wieder erwähnte kleine Straße „Bei der Liebethaler Kirche“ wird heute mehrheitlich von Spaziergängern, Skatern und Radfahrern genutzt. Wer den Liebethaler Grund durchwandert hat, steigt in der Regel an der Lochmühle nach oben und läuft diese Straße zurück zum Ort. Wenn hier dann viele Autos, Kleinbusse, LKWs, Müllfahrtzeuge unterwegs sind, werden manche diese Wanderung gar nicht erst unternehmen oder durch den Grund zurücklaufen, was wiederum für mehr Menschen im Tal sorgen wird.  Der Bau des Hotels wird also für eine Verschlechterung der Verkehrssituation in den betroffenen Gemeinden sorgen. Das betrifft auch den kleinen Parkplatz am Wendehammer im Liebethaler Grund, der am Beginn der Wanderung von der Liebethaler Seite aus liegt. Er ist an Wochenenden mit schönem Wetter schon jetzt hoffnungslos überlastet. Noch fassen die schmalen Wege im Grund all die Menschen, die sich erholen und an der Natur erfreuen möchten. Noch haben die Tiere die Abend- und Nachtstunden zur Erholung.

Fazit

  • Durch das geplante „Hotel Liebethal“ und die damit im Zusammenhang stehenden Bauvorhaben wird es sowohl im LSG als auch im FFH zu erheblichen Umweltbelastungen und einer Verschlechterung der Verkehrssituation kommen.
  • Geworben wird mit einer einmalig schönen Landschaft, die Gefahr läuft, für ihre touristische Erschließung systematische Zerstörung zu erfahren.
  • Die geplanten Ausgleichsmaßnahmen können an anderer Stelle helfen. Die seltenen Tiere und Pflanzen im Liebethaler Grund werden auswandern oder sterben.
  • In Lohmen und anderen umliegenden Ortschaften stehen Gaststätten (z. B. Erbgericht) leer oder werden Hotels nicht ausgenutzt. Aus dieser Sicht und dem jetzt schon bestehenden Fachkräftemangel im Hotel- und Gaststättengewerbe ist ein Hotelneubau zumindest fragwürdig. In Pirna soll das Hotel „Schwarzer Adler“ wieder in alter Größe und Schönheit erstehen. Soll den Pirnaer Hoteliers und Gastronomen mit einem zusätzlichen Konkurrenten dieser Größenordnung wissentlich geschadet werden?
  • Völlig vergessen wurden für den Hotelneubau die Bedürfnisse von Menschen mit Handicap. Es werden keine Parkplätze für entsprechende PKW vorgehalten. Wenn das schon beim Hotel nicht vorgesehen ist, darf zumindest hinterfragt werden, wie Touristen mit Handicap ins Tal und zur Konzerthalle kommen sollen.
  • In Graupa, in unmittelbarer Nähe zum Liebethaler Grund gibt es einen großen, repräsentativen Konzertsaal und ein ebensolches Wagner – Museum an historischer Stätte. Im vergangenen Jahr mussten Konzerte wegen zu geringer Auslastung abgesagt werden. Auch aus dieser ökonomischen Perspektive machen Hotel und zusätzliche Konzerthalle überhaupt keinen Sinn.
  • Sinnvoll für touristische Zwecke ist ohne Zweifel der Ausbau und die Wiederinbetriebnahme der historischen Lochmühle. Hier sollte der Investor unterstützt werden.

 Der Hotelneubau zwischen Liebethal und Mühlsdorf ist sowohl aus ökonomischen, als auch ökologischen Gründen abzulehnen. Die aufgezeigten Nachteile für den Tourismus in Pirna und seine einmaligen Naturschönheiten in der Umgebung überwiegen den ökonomischen Vorteil des Investors bei Weitem.

 

Dr. Bärbel Falke

Sprecherin des Stadtverbandes Bündnis 90/ Die Grünen Pirna

 

[1]  Hans Christian Andersen: Umrisse einer Reise von Copenhagen nach dem Harze, der Sächsischen Schweiz und über Berlin zurück. Godewindverlag, 2005