Thiele über Buntes ohne AfD

Vier Menschen erzählen sich am adventlich geschmückten Tisch Geschichten, deren Inhalte in das Internet ausgestrahlt werden.

Wovon diese Geschichten handeln und was verschwiegen wird.

 

Eine Vorgeschichte

 

Es begab sich 2017, dass ca. 30 Menschen, die gerade vorher eine Eingebung gehabt und sich von der Partei CDU in Pirna abgewandt hatten, sich auf den Weg machten zusammen mit einer „Truppe“, ‚Freie Wähler‘ genannt, sowie einer „Truppe“ mit Namen ‚Ihre Nachbarn‘. Sie meldeten sich beim Notar an und gründeten eine „Wählergemeinschaft“. Thieles innerer Ansporn war, die neue Truppe sollte „stark“ sein, denn der Weg würde nach dem vielen Frust beschwerlich werden. Aus drei stillgelegten Partei-Zugehörigkeiten sollte schließlich eine „bunte Truppe“ gebildet werden. Und weil sich drei Parteigruppierungen vereinigten, war dies selbstverständlich für Thiele und die anderen ein Akt der „Überparteilichkeit“. „Pars“ (lat.) jedoch bedeutet „Teil“. Die Freien Wähler sind und waren schon immer nur Teil der vielfältigen Interessen der Pirnaer Stadtgesellschaft. Sie schweben nicht über allen anderen. Eigentlich ging und geht es ja nur darum, neue Wählerschichten und neuen Einfluss zu gewinnen. War die Idee mit der Überparteilichkeit wirklich die Erleuchtung? (SZ, 06.04.2017).

Die Hauptgeschichte

In der guten Stube von ‚Ilse Bähnert‘ sitzen drei Unterstützer*innen, die sich schon vorher anhand von gleich klingenden Video-Botschaften getroffen hatten, zusammen mit Ralf Thiele am quadratischen Tisch vor dem prasselnden Kamin. Die entzündete Adventskerze spendet Licht, die Menschen haben ein ‚Gäffchen‘ und frieren nicht in ihrer Hütte. Erleuchtung dazu? Nach einem WarmingUp leitet U. G. auf den Wahlkampf und das Ergebnis des 1. Wahlgangs über:

 

Vorbemerkungen:
  • Artikel 1 Grundgesetz: 1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. 2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
  • Es waren u. a. neu gegründete Parteien, wie Neues Forum, Die Grünen (in der DDR), Demokratie Jetzt, Initiative Frieden und Menschenrechte, die 1989 Verantwortung für Menschen in Pirna und der gesamten DDR übernommen und die Friedliche Revolution auf den Weg gebracht haben. ‚Freiheit‘ und ‚Unabhängigkeit‘ sind durch zehntausende Menschen, die sich hinter diesen Forderungen Tag für Tag friedlich versammelt haben, erstritten worden.
  • Der alte Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke ist am 07.02.2019 zu Beginn des letzten Kommunalwahlkampfs ‚Freie Wähler – Wir für Pirna‘ beigetreten. Er wollte für die neue Legislatur seinem Dilemma entrinnen: Entweder Nichtmitglied, also frei von einem „Parteibuch“ sein, obwohl jede/r in Pirna um seine innere Heimat bei den Freien Wählern weiß. Oder Mitglied, weil er nicht nur als Trittbrettfahrer zu einem Mandat im Kreistag auf der Liste der Freien Wähler kommen will. Er hat sich für Mitgliedschaft entschieden, sich also in eine Abhängigkeit von dem Verein und seiner Satzung begeben. Gleichzeitig hofft er darauf, in seinem Amt als Stadtchef auch künftig als überparteilich wahrgenommen zu werden (SZ, 11.02.2019).
Demokratieverständnis

Selbstverständlichkeiten im Gepäck

Es ist gut, wenn man als Wählervereinigung politische Grundsätze hat, denn die Wähler*innen sollen sich darauf verlassen können, dass da nicht nur ein Fähnlein im Wind hängt. Für sich „Freiheit“ und „Unabhängigkeit“ als Grundsätze in Anspruch zu nehmen, ist entweder eine Plattitüde, eine selbstverständliche, wohlfeile Aussage, hinter der sich alle versammeln können und lt. Grundgesetz müssen. Oder es ist eine Selbstgefälligkeit, denn sie soll vorgeben, dass man mit diesem Werbebanner angeblich allein in der Gesellschaft steht.

Vom OB regiert werden?

Wenn zu Beginn einer möglichen Amtstätigkeit die „eigenen Freiheitsgedanken“ zum Zentrum für die Politik werden, wird es abenteuerlich oder unausgegoren. Wenn Herr Thiele plaudernd zum besten gibt, dass er im kommunalen, demokratischen System parteiunabhängig 14 Jahre lang (Amtszeit von K.-P. Hanke) regiert wurde, dann offenbart er ein merkwürdiges Politik- und Demokratieverständnis. Ist das sein Traum: Ich kann, über allem schwebend, regieren? Es wäre bar jeder Realität, denn im Rat sitzen Fraktionen, von Parteien oder Wählervereinen mit ihren jeweiligen Interessen benannt. Sie sind u. a. für die politische Meinungsbildung laut Grundgesetz verantwortlich. Sie vertreten entsprechend ihrem Wahlergebnis für Teile der Bevölkerung politische Interessen zum Wohle der Stadt. Dieser Stadtrat bestimmt laut Kommunalverfassung mit seinen Beschlüssen die Entwicklungsarbeit der Verwaltung, an deren Spitze der OB steht.

Bündnisse, bloß nicht!

Herr Thiele sagt mit seinem geäußerten Vorbehalt gegen Bündnisse nicht die Wahrheit. Zu Beginn der Legislatur 2019-24 war er am wahrlich bunten Bündnis aus AfD, FW-WfP, CDU, PKM beteiligt, um Linke, Bündnis 90 / Die Grünen und SPD beim Geschacher um Ausschusssitze und Aufsichtsratsposten auszustechen. Herr Thiele demonstriert mit seinem aktuellen Vorbehalt gegen Bündnisse, dass er eigentlich nicht im demokratischen System angekommen ist, zu dem Kompromisse gehören. Auch im Jahr 2024 werden Parteien mit ihren gewählten Vertreter*innen ins Rathaus einziehen, mit denen er sich im Zweifel verständigen müsste. Es sei denn, er würde auf 100 % FW-WfP spekulieren – selbst da wäre, wie die Geschichte von Herrn Hanke zeigt, der Konflikt nicht ausgeschlossen.

Alleingang

R. Thiele möchte gern in unserer Stadt sein eigener Herr sein und diesen Anspruch pflegen. Aus diesem Grund wollte er der Bündnis-Bildung nach dem 1. Wahlgang aus dem Weg gehen. Aus diesem Grund hat er nicht zuerst Gespräche gesucht, sondern als erster Tatsachen geschaffen.

Die Nachgeschichte

Wie bei „Freie Wähler – Wir für Pirna“ zu erwarten, war es ein Missgeschick. Dieses Mal war es nicht der Subunternehmer, der 2019 fürs vorfristige Plakatieren verantwortlich gemacht wurde. Dieses Mal war es auch nicht das komplizierte Kommunalwahlgesetz, das die Wiederholung von Wahlen oder das nachträgliche Einholen von Unterschriften erzwingt. Er war einfach irgend jemand, der bei einem technischen Versehen zu früh losgelaufen war, um die sowieso anstehenden Entwicklungen voran zu treiben. Also ist der politische Fehler entschuldigt (SZ, 13.12.2023).

 

Denn Herr Thiele stellt ja heraus, dass er als Zweiplatzierter sozusagen der geborene Herausforderer ist – es ist legitim. Er vergisst dabei, das er bei höherer Wahlbeteiligung mit einem Absturz der Freien Wähler von ca. 60 % (2017) auf ca. 23 % (2023) der eigentliche Verlierer des 1. Wahlgangs gewesen ist.

Was Bündnis 90 / Die Grünen Pirna anbelangt, sagt er die Unwahrheit. Unsere Mitgliederversammlung hat am Montag, 27.11.2023, zwischen 18.30 Uhr und 20.00 Uhr im Grünen Laden in der Schlossstr. getagt und unseren Beschluss zum weiteren Vorgehen für den 2. Wahlgang gefasst.

Quintessenz zum Kaffeekränzchen – die AfD in Pirna gibt es nicht!!

Immerhin gab es vom Kandidaten Thiele auch etwas Neues zu hören, nämlich, was ihm am Wahlsonntag durch den Kopf gegangen ist und wie er reagiert hat (s. o.). Alles, was sonst noch mit vielen, schönen Worten ohne konkrete Aussagen dargeboten wurde, war aus den Wahlforen bekannt.

Ansonsten herrscht das große Schweigen. Nichts, aber auch gar nichts sagt Herr Thiele wiederum zur AfD und ihrem Kandidaten Lochner. Das ist Realitätsverweigerung pur. Ein solches Verhalten, Duckmäuserei und Wegsehen, ist einfach unerträglich im politischen Vorgehen.

Es geht im Gespräch um Parkgebühren, angebliche Parteisoldaten, ÖPNV, Integration, Hochwasser. Ohne Zweifel wichtige Themen. Die AfD und ihr Kandidat spielen aber in dieser Adventsharmonie keine Rolle, obwohl er seit Jahren bzw. seit Monaten besonders intensiv in Pirna mit seiner Partei deutlich sichtbar unterwegs ist. Und obwohl er Oberbürgermeister werden könnte. Hat dieses beredte Schweigen auch wiederum eine bekannte Vorgeschichte (s. „Freie Wähler irrlichtern weiter„)? Die AfD ist rechtsextremistisch und steht damit nicht auf dem Boden des Grundgesetzes. Lochner und seine Partei greifen Freiheit und Unabhängigkeit, die Grundfesten in unserem demokratischen System, an. Wo bleibt dazu die klare Botschaft des Bewerbers der FW-WfP um das OB-Amt? Kann die Wähler*in Herrn Thiele bei der Verteidigung seiner politischen Grundsätze (s. o.) wirklich ernst nehmen?

 

Dieter Wiebusch