Ohrfeige für die Atomstrom-Träumer

Während der Internationalen Handwerksmesse in München 2024 trafen in einer Podiumsdiskussion

Jörg Dittrich, Präsident Zentralverband des Deutschen Handwerks,

Markus Söder, Ministerpräsident Freistaat Bayern, und

Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz,

zusammen. Moderiert wurde das Gespräch von Wolfram Kons.

Mit der folgenden Transkription des YouTube-Films dokumentieren wir das Gespräch zum Thema „Energie“ und zeigen in Text und Bild auf, wie Markus Söder klassisch ausgeknockt wird. An einigen Stellen sind in die Redepassagen Links im Sinne von Quellenhinweisen eingefügt, an denen Sie noch einmal genauer nachlesen können.

Jörg Dittrich, Präsident Zentralverband des Deutschen Handwerks

Moderator Wolfram Kons: Energie müssen wir ansprechen. Geht den Unternehmen, geht den Betrieben, geht dem Handwerk wirklich die Energie aus? Was sagen Sie?  Was muss geschehen, damit auch für kleine Betriebe, mittlere Betriebe die Energie bezahlbar bleibt?

Wir haben mit der Interessensvertretung auch gegenüber dem Wirtschaftsministerium deutlich gemacht, dass wir strikt gegen einen Industriestrompreis sind, und wir haben überzeugen können. Es gibt keinen Industriestrompreis, sondern die gewerbliche Wirtschaft hat eine Strompreis.., ähm, hat dort Anpassungen bekommen. Es gibt aber auch Gewerke, die bei uns durchs Raster fallen. Damit wird ja deutlich, dass insgesamt die Energie für uns ein ganz entscheidender Punkt ist. Und ja, Herr Minister, ich erhoffe mir, dass nach dem, ähm, nach der Kraftwerksstrategie ganz schnell die Pflöcke eingeschlagen werden, weil ich häufig in den Veranstaltungen des Handwerks höre: wir reden Monate lang über Lieferketten-Sorgfalt-Pflichten-Gesetz, weil wir nicht das Empfinden haben, dass wir es überhaupt beeinflussen können, was gerade in China ist. Ich bin kleiner Handwerker hier vor Ort, aber wir wissen nicht, wo die grundlastfähige Energie in sechs oder sieben Jahren herkommt. Dort muss Klarheit her über den, über den Pfad. Dass die erneuerbaren Energien für das Handwerk eine riesige Chance sind, das ist natürlich so; wir erleben große Ausbaudinge bei der Fotovoltaik und in vielen anderen Bereichen, aber Energie ist ein Thema, was uns auf der Seele brennt. 

Markus Söder, Bayerischer Ministerpräsident

Moderator: Herr Söder, wenn wir kurz zurückblicken und wir infolge des Ukraine Krieges gesehen haben, dass etwa die Hälfte der Gasversorgung Deutschlands, die aus Russland kam, plötzlich von einem Tag auf den anderen nicht mehr da war, und wir alle das Gefühl hatten, hier wird es kalt, hier geht das Licht aus. Da müssen Sie, glaube ich, sogar anerkennen, dass der Habeck mit seinen Leuten das gut hinbekommen hat. Das ist nicht geschehen. Diese Angst, die wir hatten. Das muss man anerkennen. Was ist trotzdem auch Ihr Ansatz zu sagen, im Energiebereich müssen wir noch mehr leisten?

Ich finde auch, dass es insgesamt gut gelungen ist, muss man anerkennen. (Beifall) Muss man einfach mal anerkennen, klar. (Beifall) Unser Grundproblem ist, dass der Preis zu hoch ist, und unser Grundproblem ergibt sich dadurch, dass wir zu wenig die Möglichkeiten nutzen.

Also schau‘n wir mal. Wir wollen in Deutschland kein Gas überhaupt noch mal erkunden, weil es über Fracking läuft. Aber wir bezahlen teuerstes Fracking-Gas aus den USA, zu extrem hohen Preisen. Widerspruch! Wir werden am Ende Import von Atomenergie von woanders haben, obwohl wir selber die Atomenergie laufen lassen könnten. Ich stimm‘ da ja gerad‘ zu, es müssen nicht hundert Jahre sein. Aber ich habe nie verstanden, warum man zu dem Zeitpunkt genau das gewählt hat, abzubrechen, auszusteigen, dann noch mal drei, vier Monate verlängert hat.

Das ist keine vernünftige, kluge Strategie, um durch Krisenzeiten zu kommen. Und wir brauchen jetzt weiter, ähm – Kraftwerksstrategie wird diskutiert. Die ist sehr, sehr wichtig, damit es keine Strompreiszonen gibt (Warum sie Bayern nicht will!). Wir brauchen aber auch ‘ne Option für tatsächlich Gaskraftwerke, die jetzt bald stattfinden. Die müssen dann noch Wasserstoff fähig sein, aber wir brauchen Gaskraftwerke, um am Ende das voranzubringen. Kern ist: Erneuerbare-Ausbau, auf jeden Fall. Ist keine Frage, aber dazu braucht es ‘ne grundlastfähige Energieform, und die ist auf Dauer, so wär unsere Überlegung, ums Preis- und Klimaschutz mäßig gut hinzubekommen, nicht Ersatz Kohle, sondern wär einfach noch mal Kernenergie. In Frankreich macht man‘s, in Tschechien macht man’s, in Schweden macht man’s: Irgendwie machen‘s alle. Nur wir sagen, ne, wir wollen des net, und wir glauben, dass wir die besseren der Welt sind. Da haben wir einen Dissenz, logischerweise, aber aus meiner Sicht wird es ist das wichtigste. Verlässlichkeit und Planbarkeit mit einer eigenen, CO2 wirklich reduzierenden Energie wäre die Kernenergie. Und alles andere hilft auf Dauer nichts.

Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz

Moderator: Wir hören in Berlin das Wort ‚Zeitenwende‘. Also, es werden Sachen gedacht, an die man vorher nicht denken konnte. Ist es denkbar, dass auch ein grüner Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz da im Kopf auch noch einmal anders denkt und sagt, vielleicht doch in einem beschränkten, zeitlich noch einmal erweiterten Umfang mehr Kernenergie. Oder bleiben Sie da einfach ganz klar auf dem Kurs Anti-Atomkraft – Atomkraft, nein danke?

Also, haben wir ja gemacht. Wir haben die bestehenden drei Atomkraftwerke länger laufen lassen, bis die Brennelemente alle waren. Vielleicht darf ich sagen, ich will jetzt keine unnötige Schärfe reinbringen, aber, Herr Söder, Ihr Argument wäre stärker, wenn Sie sagen würden, ja, aber als wir in Fukushima den Beschluss gefasst haben, auszusteigen aus der Atomkraft, – ich glaube, Sie haben damals mit Rücktritt gedroht, wenn das nicht sofort passiert – hatten wir noch vierzehn Atomkraft…

Markus Söder: Waren Sie dabei? (Lachen)

Robert Habeck: Ja, ich war dabei.

Markus Söder: Im Kabinett, im bayerischen, damals?

Robert Habeck: Im Kabinett war ich nicht dabei.

Markus Söder: ach so!

Robert Habeck: aber in der Landregierung in Schleswig-Holstein, und der damalige Präsident Carstensen berichtete das so.

Damals hatten wir 14 Atomkraftwerke. Unter der Regierungsbeteiligung der CSU sind elf davon abgeschaltet worden, und drei haben wir länger laufen lassen. Diese drei Atomkraftwerke haben wir länger laufen lassen. Es wäre also glaubhafter das ganze Argument, wenn man sagen würde, da haben wir einen Fehler gemacht, bevor man sagt, ihr habt einen Fehler gemacht. Wenn man denn so scharf auf Atomkraft ist. Dann gibt es einen großen Unterschied zu Schweden, auch zu der schwedischen Ministerin Ebba Busch, die in der Tat eine beeindruckende Kollegin ist, die sagt, wir verbringen unseren Atommüll in Schweden. Die haben ein Endlager. Das zweite Argument, das so ein bisschen schwierig ist, ist, wenn man sagt, wir sind für Atomkraft, aber gleichzeitig Bayern das einzige Land ist, das sagt, wir wissen schon vorher, bevor die Prüfung weg ist, nicht bei uns, ein Atommüllendlager. (Beifall) Aber das sind nur politische Anmerkungen, muss halt jeder seine eigene Glaubwürdigkeit immer wieder überprüfen.

Moderator: Herr Habeck

R. Habeck: In der Sache selbst. Wir in der Tat haben

M. Söder: how, how, how

R. Habeck: einen europäischen Binnenmarkt

M. Söder: how, ohm

Robert Habeck: Ich habe das jetzt hier auch zweimal angehört, Herr Söder, erlauben Sie mir

M. Söder: ja, ja, ich sag ja nichts dazu!

R. Habeck: kurz, die Fakten klarzustellen. Wir haben einen europäischen Binnenmarkt. Im Binnenmarkt fließt der Strom über die Grenzen, sofern die Grenzkuppelkstellen das zulassen. D. h., immer da, wo es günstiger ist, fließt der Strom dahin, wo er teurer verkauft werden kann. Insofern haben wir auch Importe aus dem Ausland, meistens aus den skandinavischen Ländern der erneuerbaren Energien. Insgesamt in einem Volumen von 2 % des deutschen Stromverbrauchs haben wir Importe, 2 % Nettoimporte. Davon sind 25 % Atomstrom aus Frankreich. Also von wegen, dass wir am französischen Atomstrom hängen, das ist alles homöopathisch, wenn ich das sagen darf, und wir hätten jederzeit die Gelegenheit und die Möglichkeit, das selber zu produzieren. Wir produzieren es nicht selbst, diese 25 % von 2 %, weil der Strom günstiger ist als der aus Gaskraftwerken, zum Beispiel in Bayern. Es ist also klug, dass wir im europäischen Binnenmarkt die günstigsten Energien nach Deutschland holen. Es ist aber nicht so, dass wir abhängig wären davon. Wir haben eine Riesenkapazität von fossilen Kraftwerken, die wir nicht nutzen. Denn das ist ja auch richtig, wir haben aus Sicherheitsgründen dann, was wir haben, an den Markt gebracht, und die Dinger laufen nicht. Wir haben die niedrigste Kohleverstromung seit den sechziger Jahren. Das liegt auch daran, dass natürlich – das muss man ehrlicherweise zugeben – dass der Bedarf an Strom im Moment nicht so hoch ist wegen der energieintensiven Industrie, die gebremst produziert. Also nichts, worauf ich stolz sein will. Aber die Strategie, günstig Erneuerbare an den Markt zu bringen und den Rest mit grundlastfähigen Kraftwerken, erst Kohle, dann gasförmig. Und die gasförmigen, so schnell es geht und so günstig es wird, zu Wasserstoff zu machen, geht auf. Und wenn ich noch einmal das gelobte Frankreich erwähnen darf. Der französische Staatskonzern EDF subventioniert die französischen Strompreise, die deckeln sie sozusagen staatlich. Das geht auch nur, weil es ein Staatskonzern ist. Der hat knapp 70 Milliarden € Schulden. Das würde ich gerne mal sehen, dass ein Stadtwerk oder irgendein deutscher Energiekonzern 70 Milliarden € Schulden hat, die wären alle insolvent. So, das Problem ist jetzt, und dann bin ich fertig, von wegen der günstigen Atomkraft. Die haben ungefähr 50 Atomkraftwerke, die alle renoviert werden müssen. Man schätzt, dass der Preis pro Renovation ungefähr bei 1 Milliarde liegt. Die neuen Atomkraftwerke sind immer geplant mit, also das Ding, das EDF, der französische Konzern, in England baut, sollte 21 Milliarden € kosten. Ein Kraftwerk! Wir reden bei den Gaskraftwerken pro, bei der gleichen Größenordnung, ungefähr über 1 Milliarde. Das kostet 21 Milliarden in der Planung. Die ist jetzt hochgesetzt worden auf 38 Milliarden. Der chinesische Co-Investor hat sich verabschiedet davon, weil er gesagt hat, das ist ein Milliardengrab. Wenn da die Kilowattstunde Strom rauskommt, das wird die teuerste Kilowattstunde Strom sein, die jemals in Europa produziert wurde (s. auch „Der Preis von Erdgas ist heiß„).

Moderator: Herr Habeck

Robert Habeck: Und dass das alles ökonomisch aufgeht, das hat mir noch keiner erklärt. Das geht nur auf, weil der französische Staat für den Staatskonzern EDF haftet, um den Strompreis runter zu bringen. Um dann auf der europäischen Ebene zu sagen, kann Deutschland nicht dafür sorgen, dass wir einen Ausgleichmechanismus in die Staatsfinanzen bekommen. Das ist das große Versprechen der Atomindustrie. Ökonomisch geht das alles nicht auf. (Beifall)

 

Autor: Dieter Wiebusch