Vor der Landtagswahl

In drei Tagen wählt Sachsen seinen neuen Landtag. Die Parteien und alle politisch interessierten Menschen bereiten sich darauf vor. Der Sieger des 20. Deutschen Karikaturenpreises, Schöpfer der Pine und des Pirnaer Wimmelbildes, Axel Bierwolf, hat dazu diese Karikatur geschaffen.

Wenn wir in diesen Tagen im Straßenwahlkampf unterwegs sind, begegnen wir den Menschen, die im Begriff sind, dem roten Pfeil zu folgen. Sie sind oft zornig. Sie wollen, dass sich etwas ändert, wollen den Krieg in der Ukraine beenden und zeigen dabei auf Berlin.

Der rote Pfeil, dem sie folgen, führt in einen „Gedankenkäfig“ mit seltsamen Dissonanzen.

Der Ukrainekrieg

Im gestrigen Wahlforum in Graupa sagte der Spitzenkandidat der FDP in Sachsen, Robert Malorny, dass nach seiner Wissenslage Sachsen kein Außenministerium habe. Angespielt hat er damit auf die ständigen Forderungen des Sächsischen Ministerpräsidenten, den Ukrainekrieg zu beenden. Die ganze Forderungsrhetorik ist ziemlich billig. Natürlich muss alles dafür getan werden, dass der Krieg in der Ukraine schnell beendet werden kann. Wie der Gefangenenaustausch zeigt, laufen die diplomatischen Bemühungen auf Hochtouren. Aber Vorschriften und vermeintlich schnelle Lösungen aus Deutschland oder Sachsen verkennen, dass nur die Opfer, die Menschen in der Ukraine, entscheiden können, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Bedingungen ein Friedensvertrag entstehen kann.

Uns Grünen wird oft vorgeworfen, dass wir unsere pazifistischen Überzeugungen verraten hätten. Dabei war es schon immer so: Pazifismus bedeutet, alles dafür zu tun, dass Kriege verhindert werden. Deshalb hat sich Annalena Baerbock selbst noch unmittelbar vor Kriegsbeginn mit dem russischen Außenminister Lawrow auf offener Bühne auseinandergesetzt. Pazifistische Strategien bedeuten  Rüstungsbegrenzung und Abrüstung. Dazu gehört auch, dass der Einsatz und die Androhung von Gewalt unbedingt zu kritisieren sind, egal wo sie stattfinden. Es ist jedoch, so meint der Journalist und Pazifist Andreas Zumach, „ein törichtes Missverständnis, …, in einer konkreten Situation, wo ein Konflikt bereits auf die Gewaltebene eskaliert ist und eine Seite Waffen einsetzt, zu sagen, wir setzen unsererseits keine Waffen ein.“ (https://taz.de/Andreas-Zumach-feiert-70-Geburtstag/!6025831/)

Die soziale Schieflage

Ein weiteres, großes Missverständnis im Zusammenhang mit der Landtagswahl besteht darin zu glauben, dass die AfD die Partei der kleinen Leute sei. Auch das gehört zum Gedankenkäfig. Wir haben schon im Artikel „Die heile Welt der AfD“ das asoziale Abstimmungsverhalten dieser Partei im Bundestag in den Blick genommen https://gruene-pirna.de/2024/05/13/die-heile-welt-der-afd/

Im Wahlforum plädierte Lisa Thea Steiner (Die Linke) besonders leidenschaftlich für ein verbessertes Sächsisches Schulsystem, das inkludiert und nicht ausgrenzt, für ein kostenloses Schulessen für alle Kinder. Finanzierungsmöglichkeiten sah sie in einer Vermögenssteuer für Superreiche und einer höheren Erbschaftssteuer. Erben sei „leistungsloses Einkommen“. Sandra Gockel (CDU) räumte immerhin den Missstand ein, dass 10% der Sächsischen Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen. Dass auch das dreigliedrige Schulsystem daran seinen Anteil daran haben könnte, glaubt sie nicht.

Die Energiewende

Im Wahlforum fragte unser Direktkandidat Dieter Wiebusch den Vertreter der AfD nach dem Abstimmungsverhalten seiner Partei beim Sächsischen Beteiligungsgesetz. Dabei geht es um die verpflichtende, finanzielle Begünstigung der Kommunen am Ertrag der auf ihrem Territorium befindlichen Windräder bzw. PV-Freiflächenanlagen. Immerhin sind 20.000 bis 30.000 € pro Jahr und mehr zu erwarten. Experten rechnen in Summe mit ca. 25 Mio € bis 2030 und ab 2030 mit mehr als 10 Mio € pro Jahr – ein hervorragendes Klimageld für Spielplätze, Schwimmbad-Sanierungen, die Feuerwehr-Ausrüstung in vielen Orten. Bürger*innen können dann zufrieden sagen: „Das ist mein Windrad, mein PV-Feld. Jede Umdrehung da oben, jeder Sonnenstrahl hier unten bringt uns in unserer Kommune voran!“ „Natürlich haben wir abgelehnt“, sagte Herr Zwerg, Generalsekretär der AfD Sachen, mit dem Brustton der Überzeugung. Ja, wenn man aus rein ideologischen Gründen erneuerbare Energien bekämpft, dürfen auch die Kommunen nichts davon haben. Das ist die Verzwergung der Sächsischen Wirtschaft und der Kommunen. Und es ist ein weiteres Beispiel für den Gedankenkäfig, in den die AfD die Wählerinnen und Wähler locken will.

Die Migrationsfrage

Im Wahlforum in Graupa wurde auch das schreckliche Attentat in Solingen thematisiert. Dieter Wiebusch bat um ein Innehalten, um Zeit für Trauer um die drei getöteten Menschen. Gleichzeitig zeigte er auf, dass es Radikalisierung in allen Kulturen und Religionen gibt. Er verwies auf den Mord an Walter Lübcke, auf den Anschlag auf die Synagoge in Halle und die Morde in Hanau, allesamt von deutschen Rechtsradikalen verübt. Wir brauchen Prävention, wir brauchen starke Sicherheitskräfte, die Radikalisierung aufspüren und im Keim ersticken, egal wo. Er warnte in diesem Zusammenhang vor Symbolpolitik sowie Hetze gegen Fremde, Geflüchtete. Dazu zitierte er an seinem gestrigen 275. Geburtstag Johann Wolfgang von Goethe: „Das Land, das seine Fremden nicht ehrt, ist dem Untergang geweiht“.

Auch Ralf Wätzig (SPD), Robert Malorny und Frank Siebert (BSW) unterstützten die Auffassung, dass Krankenhäuser, Restaurants und Firmen in Sachsen ohne Zuwanderung bald ihren Aufgaben nicht mehr gerecht werden könnten und schließen müssten.

Wenn wir in Sachsen die zugewanderten Menschen nicht als ungebetene Gäste behandeln, sondern ihnen einen schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Sprach- und Integrationskursen ermöglichen, wenn sie nicht monatelang untätig in tristen Unterkünften hocken müssen, werden sie sich als Neubürger*innen in unser Gemeinwesen einbringen. Beispiele dafür gibt es in Pirnaer Firmen, Restaurants und im Helios Klinikum mehr als genug.

Fazit

Strategisch wählen, wie es der Sächsische Ministerpräsident wünscht und damit der Vielfalt im Landesparlament eine Absage erteilt, ist schädlich für Sachsen. Wenn CDU, AfD und BSW allein im Landtag sitzen, wird der Gedankenkäfig noch enger. Schon jetzt wandern wieder mehr Menschen aus Sachsen ab als in Vergleichszeiträumen. Sie gehen dorthin, wo es eine Willkommenskultur gibt, wo die Energiewende vorankommt, wo es Schulen gibt, die sich nach den Kindern ausrichten und nicht danach, ob die Kinder zu ihnen passen.

Zeigen wir in diesem Kampf um die besten Köpfe, um eine lebenswerte Umwelt und moderne Wirtschaft Haltung. Lassen wir uns nicht in enge, einfache Denkmuster locken. Wählen wir mit beiden Stimmen die Demokratie. Wählen wir Grün.

 

Dr. Bärbel Falke