Bericht aus dem Stadtrat – September 2024

Als Stadträtin von Bündnis90/Grüne möchte ich über diesen Verteiler hin und wieder darüber informieren, was im Stadtrat los ist und was mich bewegt.

Nachbetrachtungen zur Wahl

Ich habe lange nichts „Neues aus dem Stadtrat“ geschrieben. Die Europa-, Kommunal- und Landtagswahl mit deutlichen Ergebnissen Richtung Rechts wollen „verdaut“ werden. Sie haben Auswirkungen auf mein weiteres Handeln als Stadträtin und auf mögliche Kooperationen im Rat.

Wie kann es sein, dass eine Partei so viele Stimmen zieht, die gesichert rechtsextrem ist, soziale Ungleichheit forciert, gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausspielt, Gleichberechtigung rückwärts spult und insgesamt eine menschenverachtende Grundhaltung versprüht?
Wie kann es sein, dass Stimmungsmache bei den Wählerinnen und Wählern scheinbar mehr zieht als sachliche Information?
Wie kann es sein, dass alles überlagernde Zukunftsthemen (Klimawandel, Artensterben) so sehr in den Hintergrund geraten, obwohl wir uns ihnen dringend stellen müssen?
Wie kann es sein, dass Herr Kretschmer Bündnis 90 / Die Grünen, seinen Koalitionspartner in der Regierung, beschimpft und herabwürdigt, obwohl Regierung und Landtag erfolgreich gearbeitet haben und wichtige Weichen für ein modernes Sachsen gestellt wurden?

Die Fragen fordern zum Innehalten, zur Selbstreflexion und zur Neuausrichtung auf. Was haben wir vor Ort als GRÜNE bereits begonnen und wollen wir weiterhin anstoßen?
Mehr dazu hier: https://gruene-pirna.de/2024/09/04/nach-der-landtagswahl/

Der neue Stadtrat

Die Sitzverteilung sieht nun so aus: 9 AfD, 5 CDU, 4 FW, 3 BSW, 1 André Liebscher, 1 PB, 1 SPD, 1 LINKE und 1 GRÜNE. Von 23 Sitzen sind 5 von Frauen besetzt, immerhin 2 mehr als im alten Stadtrat.
Mit 965 Stimmen bin ich als einzige Vertreterin von Bündnis 90 / Die Grünen wieder in den Stadtrat gewählt worden. Danke an alle, die mich gewählt haben für das Vertrauen und für die Unterstützung!

Unsere Fraktion

Schnell war uns klar, dass wir GRÜNE mit SPD und DIE LINKE eine Fraktion bilden werden. Die inhaltlichen Schnittmengen aus unseren Wahlprogrammen, die bisherigen Erfahrungen im Stadtrat und die menschliche Ebene sprechen einfach dafür. Unsere parlamentarische Gestaltungsmöglichkeit ist kleiner geworden. Wir werden weiter Präsenz zeigen, Ungereimtheiten aufdecken, Themen setzen, Oppositionsarbeit machen.

Hier sind wir zu erreichen:

 Fraktionsbüro

03501-779 4738

Ralf Wätzig (SPD)

ralf.waetzig@spd-soe.de

Ina Richter (DIE LINKE)

Maria Giesing (Bündnis 90/Die Grünen)

Die neuen Bündnisse

Die AfD wird mit den Freien Wählern nicht nur kooperieren, sondern eine gemeinsame Koalition bilden, wie es ihr Fraktionsvorsitzender im Pirna-TV erklärt. (https://www.pirna-tv.de/2024/09/05/wer-in-pirnas-stadtrat-den-ton-angibt/).

Damit ist endlich an der Oberfläche, was schon lange erkennbar war und wovor wir von Bündnis 90/ Die GRÜNEN schon im Oberbürgermeister-Wahlkampf gewarnt hatten: Die Freien Wähler unterstützen rechtsextreme Entwicklungen in Pirna, oder nehmen sie gern Kauf, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Ihre demokratisch orientierten Mitglieder schweigen dazu. Gemeinsam mit Herrn Kurth (PB) haben AfD und FW 14 Stimmen und damit die Mehrheit im Stadtrat. Jedes Vorhaben kann diese „Koalition“ im Rahmen der Gesetzgebung damit durchsetzen. Jeden Antrag von CDU, SPD-LINKE-GRÜNE, BSW oder allen zusammen kann sie ablehnen. In der ersten Stadtratssitzung konnten wir als Fraktion und alle Zuschauenden diese neue Kooperation gut verfolgen. Zusätzlich mit Herrn Lochner als Oberbürgermeister liegt auf der Hand, wo die Reise im Stadtrat hingeht: es wird unsozialer, autoritärer, unambitionierter, was den Klimaschutz angeht, und es wird unfreundlicher werden.

Die neue Fraktion

Das BSW ist neu im Stadtrat, André Liebscher hat sich dieser Fraktion angeschlossen. Wofür sie auf kommunaler Ebene stehen werden, bleibt abzuwarten. Wir werden uns herantasten, wie wir als Fraktion mit dem BSW kooperieren.

Die konstituierende Stadtratssitzung

Sie fand am 27.08.2024 in der Herderhalle statt.
Von allen Parteien waren unterstützende Bürgerinnen und Bürger zum öffentlichen Teil der Sitzung anwesend. Das rege Interesse ist erfreulich, es stärkt ein lebendiges Pirna.

Die Tagesordnung war lang, die Stimmung angespannt.

Zu Beginn gab es einen musikalischen Beitrag, Geburtstagsglückwünsche und Blumen vom Oberbürgermeister für ausgeschiedene Stadträte. Das wollte alles nicht so richtig zur Stimmung passen.

Alle Stadträtinnen und Stadträte haben gelobt: „Treue der Verfassung, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung der Pflichten, die die Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen vorgibt“ und „die Rechte der Stadt Pirna gewissenhaft zu wahren und ihr Wohl und das ihrer Einwohner nach Kräften zu fördern“. 

Unter dem TOP „Anfragen der Einwohner“ gab es Fragen z. B. zum Datenschutz, der vom Referenten des OB grob missachtet wurde. Von einem Mitglied der Grünen kam die Frage nach der öffentlichen Evaluation des Bürgerrates. Die AfD spricht zwar immer von Bürgerbeteiligung, interessiert sich aber nicht im Mindesten für die Ergebnisse der BR. Andere Fragen bezogen sich auf die Behauptungen des OB zur Arbeit in den Schulen. Interessant nachzulesen unter https://ssl.ratsinfo-online.net/pirna-bi/vo040.asp?VALFDNRM=9&PALFDNRM=1 Vorauseilend und gegen das übliche Verfahren hatte die Stadtverwaltung schon Nachrücker für AfD-Mitglieder veröffentlicht, die nicht als Stadträte antreten würden. Die Anerkennung ihrer Hinderungsgründe wurde in nichtöffentlicher Sitzung beraten und dann in öffentlicher Sitzung vom Stadtrat ordnungsgemäß beschlossen.

Als ehrenamtlicher Stellvertreter des Oberbürgermeisters wurde aus den Reihen der Stadträte Herr Ralf Thiele von den FW mit großer Mehrheit und auch mit den Stimmen unserer Fraktion gewählt.

Vier Stunden dauerte es, bis alle TOPs abgearbeitet und nach dem aufwändigen Wahlverfahren endlich alle Sitze in den Ausschüssen, Beiräten und Aufsichtsräten neu verteilt waren.
Die Strategie der CDU und ihr Abstimmungsverhalten war recht aufschlussreich. Die Fraktion stimmte für das Wahlverfahren nach D’Hondt zur Besetzung der Gremien und Ausschüsse. Dieses Verfahren bevorzugt große Gruppen. Das Hare/Niemeyer-Verfahren hätte für ihre Sitzverteilung nichts verändert, aber für uns als kleiner Fraktion die Chance auf mehr Sitze erhöht. So werden wir je ein Sitz im Stadtentwicklungsausschuss, im Strategie- und Finanzausschuss und im Ordnungs- Kultur- und Bürgerausschuss besetzen. Im Petitionsausschuss werden wir nun keinen Sitz mehr haben.

Die Aufsichtsräte

Empört bin ich über die inzwischen stattgefundene Neubesetzung der Aufsichtsräte der Städtischen Tochtergesellschaften. Das sind wichtige Posten, die von qualifizierten und für das jeweilige Fachgebiet spezialisierten Fachleuten besetzt sein sollten. Diese können von den Parteien benannt werden. Eine Parteizugehörigkeit ist dabei nicht Voraussetzung. Es können und sollen also auch sachkundige Bürger und Bürgerinnen diese Plätze besetzten. Insgesamt 20 Aufsichtsräte in sechs Tochtergesellschaften waren zu benennen: 12 von AfD, 6 von CDU, 1 von FW und einer vom BSW. Die AfD vergab in der Stadtentwicklungsgesellschaft einen Sitz an Herrn Böhmer von den FW, einen für die Tourismusgesellschaft an Herrn Otto von den FW und einen in der Service- und Beteiligungsgesellschaft an den fraktionslosen Stadtrat Andre Kurth. Mit Gefälligkeiten werden Abhängigkeiten erzeugt.

Die einzig erkennbare Maxime: möglichst viel Macht für AfD und FW. Man darf fragen, welche Rolle die Qualität der Arbeit und die mögliche Beteiligung sachkundiger Bürgerinnen spielt. Die Antwort liegt auf der Hand.

Übrigens: nur 4 von 20 Sitzen sind von Frauen besetzt.

Der Stadtentwicklungsausschuss

Am 05.09. hat der erste neu zusammengesetzte SEA getagt: 3 AfD, 1 CDU, 1 FW, 1 GRÜNE, 1 BSW. Nur zwei von sechs Sitzen sind mit Frauen besetzt.
Dieser Ausschuss ist für die Durchsetzung von Bauvorhaben mancher Mitglieder der FW besonders wichtig. Und hier zeigt sich deutlich die dafür notwendige Zusammenarbeit mit der AfD.
Meine erste vorsichtige Beobachtung, wo die Reise in Pirna hingeht, zeigt sich mir am Beispiel „Spielpark ohne Grenzen“ auf dem Sonnenstein. Nach Planung und gesicherter Finanzierung stand er zur Abstimmung auf der Tagesordnung. Eine Diskussion entbrannte um eine öffentliche Feuerstelle. Die Sonnensteiner waren in die Planung einbezogen, hatten sich die Feuerstelle gewünscht, die dort tätigen Vereine und der Stadtteilmanager ebenfalls. Die Erfahrung mit der öffentlichen Feuerstelle an der Elbe und die Erfahrungen anderer Städte zeigen nach Auskunft der Verwaltung: wildes Feuermachen wird damit effektiv verhindert, der Reinigungsaufwand bleibt mit oder ohne Feuerstelle gleich.
Mit einem Antrag gegen die Feuerstelle wollen die FW entgegen der Wünsche der Sonnensteiner und entgegen den Erfahrungswerten von Kommunen „Sauberkeit und Ordnung“ sicherstellen. Die Interessen aller Beteiligten auf dem Sonnenstein spielen für sie keine Rolle. Das ist das eigentliche Problem. Auch wenn dort jetzt eine Tischtennisplatte zusätzlich aufgestellt werden soll. Die Durchsetzung eigener Vorstellungen ist für die FW wesentlicher als die Interessen der Betroffenen. „Bürgernah“ ist das nicht.

Sonst noch

Zur Stellenausschreibung eines persönlichen Referenten für den Oberbürgermeister hatte es vielfältig Kritik gegeben. Sie schien auf Herrn Backofen, den Büroleiter zugeschnitten zu sein, obwohl seine persönliche und fachliche Eignung zweifelhaft war und sein Auftreten in der Öffentlichkeit in höchst negativer Weise für Aufsehen gesorgt hatte. Inzwischen hat er „auf eigenen Wunsch“ die Verwaltung verlassen.

Auf welche Personalstellen sich künftig die Aufgaben Büroleitung und Pressearbeit verteilen werden, und wer dies übernehmen wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht überwiegt diesmal bei der Entscheidung fachlicher Anspruch und Eignung.

Wir Bündnisgrüne in Pirna

Wir sind ein lebendiger, stabiler und stetig wachsender Stadtverband. Unsere Schwerpunkte Bürgerbeteiligung, Klimaschutz, Energie- und Verkehrswende werden wir weiter aktiv verfolgen, auch außerhalb der Stadtratsarbeit. Wir werden uns der neuen Realität in der Stadt stellen und die stärker werdende Zivilgesellschaft unterstützen.

Das Mittun vieler Menschen macht Pirna lebendig. Kreative Initiativen und Bewegungen wie 800 Bäume, 100fach mobil, Solidarisches Pirna, SOE gegen rechts, Pirna im Gespräch und viele, viele soziale und kulturelle Vereine und Aktivitäten lassen Pirna weiterhin bunt sein.

 

Maria Giesing

Stadträtin Bündnis 90/ Die Grünen